Genug g'suffa

Mal genippt hat die Tochter ja eh schon. Und hatte der etwas ältere Kumpel vom Sohnemann da nicht neulich einen Sixpack unterm Arm? Wer weiß, was die da alles mitbringen, wenn sie sich wieder im Park treffen. Nee, da zeigen wir unseren Kindern lieber selbst, wie man Bier und Sekt richtig trinkt, sollen sie den ersten Minirausch mal lieber mit uns Eltern haben.

Begleitetes Trinken heißt das: Bier, Wein und Sekt dürfen Jugendliche eigentlich erst mit 16 Jahren kaufen und in der Öffentlichkeit trinken – aber ist eine sorgeberechtigte Person dabei, dürfen sie es auch schon mit 14. In Deutschland, muss man dazu sagen – denn nahezu kein anderes Land auf der Welt erlaubt Menschen so früh, legal Alkohol zu konsumieren.

Aber jetzt soll auch hier bald Schluss damit sein – zumindest, wenn es nach den Bayern geht. Bayern hat nämlich am Freitag eine entsprechende Initiative in den Bundesrat eingebracht. Folgt der Bundesrat der Initiative, müsste sich der Bundestag mit einer entsprechenden Gesetzesänderung beschäftigen.

Begründet hat die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach das Vorhaben damit, dass Alkohol für junge Menschen besonders gefährlich sei, etwa, weil er die Entwicklung des Gehirns und anderer Organe nachhaltig beeinträchtige. Das Beisein der Eltern könne die Problematik sogar verschärfen. Denn: "Dadurch wird den Kindern signalisiert, dass das Trinken von den Eltern unterstützt wird", sagte Gerlach. "Es geht nicht um Tradition, sondern um den Schutz unserer Kinder."

Die Bayern als Spielverderber?

Ausgerechnet Bayern, oder? Ausgerechnet das Bundesland, das den jahrhundertealten deutschen Nimbus von Bier und Reinheitsgebot, von Maßkrug, Biergarten, Oktoberfest und Zünftigkeit wie kaum ein anderes geprägt haben dürfte.

Dabei ist die Idee weniger bayerisch, als es den Anschein hat. Der ehemalige Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung hatte bereits Anfang 2024 eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren für alle Suchtmittel gefordert. Einzelne Gesundheitsminister der Länder, etwa aus Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen oder Bremen – und eben auch Bayern – hatten daraufhin zumindest das begleitete Trinken infrage gestellt. Und so wollte es der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eigentlich schon vergangenen Sommer abschaffen. Nun aber haben sich vor ziemlich genau einem Monat alle Gesundheitsminister der Länder darauf geeinigt, eine entsprechende Initiative einzubringen.

Die Bayern haben sich nun schlicht getraut zu tun, worüber ohnehin alle schon seit Monaten oder gar Jahren sprechen – und nehmen in Kauf, als Spielverderber dazustehen. Zwar sprachen sich in einer Umfrage der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) von Anfang Juli 65 Prozent der rund 1.000 Befragten im Alter von 18 bis 70 Jahren dafür aus, das begleitete Trinken abzuschaffen. Umgekehrt heißt das aber auch: Knapp ein Drittel ist dafür, dass Kinder schon vor ihrem 16. Geburtstag gemeinsam mit den Eltern trinken können sollen. Drei Prozent waren sich unsicher, wie sie zu dem Thema stehen.

Doch das Spielverderber-Argument zieht hier nicht, so oder so. Spielverderber ist, wer kaputt macht, was Spaß bringen soll. Spaß aber war nie die Idee hinter dem begleiteten Trinken. Sondern die Gesundheit der Minderjährigen zu schützen.

Doch ist es tatsächlich gesünder, Kindern und Jugendlichen beim Alkohol einen kontrollierten Umgang beizubringen? Weil sie so verstehen, warum sie nicht das ganze Bier in einem hinunterstürzen sollten oder warum es nach einer Flasche nicht noch drei mehr braucht? Weil sie lernen, das Glas Wein wie Papa und Mama mit genüsslichen kleinen Schlucken über das gesamte Abendessen zu strecken? Harm reduction nennen die Verfechter diese Idee, die davon ausgeht, dass Alkoholkonsum als Ganzes ohnehin nicht zu verhindern und deswegen ein gesunder Umgang essenziell sei.

Begleitetes Trinken funktioniert nicht

Die Forschung ist hier erstaunlich eindeutig: Durch begleitetes Trinken lernen Kinder keinen vernünftigen Umgang mit Alkohol, es ist damit ihrer Gesundheit auch nicht zuträglich.

Zwar trinken hierzulande seit Jahren (PDF) zunehmend weniger Jugendliche regelmäßig Alkohol. Dennoch liegt Deutschland im europaweiten Vergleich hinter Dänemark und Italien auf Platz drei, wenn man darauf schaut, wie viele 15-Jährige in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken haben. Und wenn es darum geht, viel zu trinken, sich regelrecht zu berauschen, sogar auf Platz zwei. Allein das spricht schon mal nicht unbedingt dafür, dass the German way hier besonders gut funktioniert.

Es gibt darüber hinaus einige Untersuchungen, in denen Forscherinnen und Forscher geprüft haben, welchen Effekt das begleitete Trinken hat. Eine Befragung von rund 7.500 norwegischen Schülerinnen und Schülern im Alter von 14 bis 17 Jahren zeigte etwa: Jugendliche tranken umso häufiger viel Alkohol, je öfter sie auch mit ihren Eltern "kontrolliert" tranken. Und eine Langzeitstudie australischer und US-amerikanischer Wissenschaftler zeigte, dass 25- bis 31-Jährige mehr Alkohol tranken, wenn sie im Alter von 13 bis 16 Jahren begleitet an das Trinken herangeführt worden waren. Noch dazu fuhren sie eher unter Alkoholeinfluss Auto – selbst oder als Beifahrer bei betrunkenen Fahrern. Zahlreiche weitere Studien zeigen ebenfalls, dass Kinder häufiger und mehr Alkohol konsumieren, wenn Eltern gemeinsam mit ihnen trinken.

Und schließlich stimmt auch das, was Bayerns Gesundheitsministerin Gerlach über das jugendliche Gehirn sagte: Das Gehirn reift bis ins Alter von etwa 25 Jahren, und Alkohol kann diese Entwicklung beeinträchtigen.