Apothekenchef warnt vor Lieferengpässen bei Medikamenten
Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Thomas Preis, warnt vor Engpässen bei der Lieferung von Medikamenten. Die Zahl der nicht lieferbaren Medikamente sei von knapp 500 Ende 2024 auf mittlerweile gut 550 angestiegen. Das sagte er in einem Interview mit dem Nachrichtenportal Welt.
Betroffen seien vor allem Cholesterinsenker, ADHS-Medikamente und Präparate gegen psychische Beschwerden. Um die Engpässe aufzufangen, würden Apotheken mit erheblichem Mehraufwand Alternativen recherchieren. Es gebe aber auch fünf Medikamente, welche nicht von wirkstoffgleichen Präparaten ersetzt werden können, darunter das Asthmamedikament Salbutamol und Antibiotika für Kinder. Für diese Medikamente müssten die Apotheken auf Ware aus Spanien oder den USA zurückgreifen, um die Versorgung noch sicherzustellen.
Preis fordert Bürokratieabbau
"Ein Ende ist nicht in Sicht, da weltweit die Nachfrage hoch ist. Wir werden zunächst damit leben müssen", sagte Preis laut Welt. Das vor zwei Jahren eingeführte Lieferengpassgesetz helfe in der Praxis kaum. Stattdessen forderte Preis im Interview, bürokratische Hindernisse abzubauen und den Apotheken mehr Handlungsfreiheiten zu gewähren. Etwa müssten Apotheken jedes Mal mit Arztpraxen in Kontakt treten, wenn ein Medikament nicht lieferbar ist. "An Wochenenden oder nachts ist das aber oft gar nicht möglich. Apotheken brauchen hier mehr Handlungsfreiheiten."
Versandapotheken sind aus Sicht des Branchenvertreters keine Alternative – im Gegenteil: Wie in den meisten europäischen Ländern müsse in Deutschland der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verboten werden, forderte Preis. Versandhändler könnten allein schon wegen der Entfernungen zu den Kunden ein dichtes Apothekennetz nicht ersetzen. So sei etwa die gekühlte Lagerung von Medikamenten bei längeren Transportzeiten gar nicht gegeben.
Viertel der öffentlichen Apotheken "wirtschaftlich gefährdet"
Apotheken seien für die Daseinsvorsorge unverzichtbar, betonte Preis. Die wirtschaftliche Lage sei jedoch "sehr schwierig". Viele Apotheken könnten angesichts gestiegener Kosten und seit 13 Jahren gleichbleibender Honorare nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. "Ein Viertel der öffentlichen Apotheken ist wirtschaftlich gefährdet", warnte Preis.
Pro abgegebener Packung eines verschreibungspflichtigen Medikaments erhalten Apotheken aktuell einen fixen Betrag von 8,35 Euro sowie eine prozentuale Vergütung von drei Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis. Dazu kommen 0,41 Euro, die an den Nacht- und Notdienstfonds der Apotheken weitergeleitet werden. "Wir haben ausgerechnet, dass es ein Honorar von zwölf Euro braucht, um das auszugleichen, was uns seit einem Jahrzehnt nicht zugestanden wurde", sagte Preis. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Erhöhung des Honorarfixbetrags pro verkauftem Medikament auf 9,50 Euro sei ein "kleiner Schritt in die richtige Richtung".
Mit Blick auf die geplante Ausweitung pharmazeutischer Kompetenzen – etwa beim Impfen oder bei der Wiederholungsverschreibung bestimmter Medikamente – zeigte sich der Verbandschef offen. "Es spricht medizinisch und pharmazeutisch überhaupt nichts dagegen, dass Apotheken – bis auf wenige Ausnahmen – alle Impfstoffe impfen können." Apotheken könnten hier genauso helfen wie bei der Früherkennung von Erkrankungen. Dies könne Haus- und Fachärzte entlasten und Wartezeiten reduzieren.