Was tun gegen die Hitze – jetzt und in Zukunft?

In Europa ist es derzeit in vielen Regionen extrem heiß. In Deutschland werden in den kommenden Tagen Temperaturen von bis zu 38 Grad erwartet, es gilt für mehrere Regionen eine Hitzewarnung. Es ist bereits die zweite Hitzewelle des Jahres. Durch den Klimawandel nehmen solche Extremwetterereignisse zu, die Gesellschaft muss sich wappnen. 

Wie gefährlich ist Hitze?

Für den Sommer 2023 hat das Robert Koch-Institut rund 3.200 hitzebedingte Sterbefälle in Deutschland geschätzt, für den Sommer 2024 rund 3.000. Den mit Abstand höchsten Anteil bilden Personen ab 75 Jahren, mit Vorerkrankungen wie Demenz, Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen. Besonders viele Tote gab es in dicht bebauten Städten mit wenig Grün, viel Beton und einem hohen Anteil finanziell benachteiligter Bevölkerungsgruppen.

Für vulnerable Gruppen können auch Tage mit einer Durchschnittstemperatur von mehr als 20 Grad Celsius (Tag und Nacht zusammengerechnet) gefährlich werden. Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums: Bleibt es mehrere Tage lang heiß und kühlt es auch nachts kaum ab, steigt die Sterblichkeit demnach weiter an und erreicht nach etwa drei bis vier Tagen ein gleichbleibend hohes Niveau.

Zudem gibt es jedes Jahr aufgrund der hohen Temperaturen viele Verletzte. Seit 2003 hat das Statistische Bundesamt jedes Jahr durchschnittlich rund 1.400 Krankenhausbehandlungen aufgrund von Hitze und Sonnenlicht registriert. Hinzu kommen Erkrankungen, die sich in Kombination mit Hitze verschlimmern, aber nicht in der Statistik vorkommen. Und zahlreiche Fälle von Schwindel, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Kreislaufbeschwerden, die nicht medizinisch behandelt werden.

Nach oben Link kopieren

Wie gut ist Deutschland auf Hitzewellen vorbereitet?

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat die Hitzebelastung in 190 deutschen Städten untersucht und herausgefunden, dass dort mehr als zwölf Millionen Menschen von extremer Hitze betroffen sind. 31 Städte gelten als besonders belastet, darunter Frankfurt am Main, Magdeburg, Mannheim und Worms. Besonders groß ist die Hitzebelastung demnach im Süden Deutschlands und dort, wo ein hoher Grad an Versiegelung auf wenig städtisches Grün trifft. 131 Städte liegen laut DUH in der mittleren Kategorie, darunter Köln, Berlin und München. Nur 28 Städte bekommen eine sogenannte Grüne Karte, vor allem im Norden des Landes. Die Kategorien werden anhand eines Hitzebetroffenheitsindex (HBI) eingeteilt, der aus den Parametern Oberflächentemperatur, Anteil der Versiegelung, Grünvolumen und Bevölkerungsdichte berechnet wird. Nur wer hier besonders gut abschneidet, bekommt die Grüne Karte. 

Neben den Städten hat sich auch das Verhalten der Menschen nicht immer an die veränderten klimatischen Bedingungen angepasst. "In Deutschland sind die Menschen im Grunde oft froh, wenn es mal wieder wärmer wird", sagt Jörn Birkmann, der das Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart leitet. Vor gut zehn Jahren führte Birkmann eine Befragung mit über 80-Jährigen in Wuppertal zum Thema Hitzesensibilität durch. "Und die sagten uns dann eben, wir haben den Zweiten Weltkrieg überlebt, kommt uns doch nicht mit ein bisschen mehr Wärme." 

Nach oben Link kopieren

Wie können sich Städte anpassen?

Grundsätzlich gibt es zwei Strategien zur Anpassung an Hitze: Verhaltensänderungen und städtebauliche Maßnahmen. In Ländern, die bereits auf Hitzeperioden eingestellt sind, ist der Tagesrhythmus an das Klima angepasst. In Südeuropa gibt es etwa eine Siesta um die Mittagszeit. Manche verdunkeln mit Rollos ihre Fenster und lüften nur nachts, das Abendessen findet später statt als hierzulande. Wohlhabende Menschen können sich Klimaanlagen zulegen, die jedoch Hitze nach außen abgeben und die Städte dadurch weiter aufheizen. Birkmann sagt: "Den ganzen Tag nicht herauszugehen aus der Wohnung, ist aus meiner Sicht keine ideale Anpassungsstrategie."

Städtebaulich wirken sich etwa die Dichte der Bebauung, versiegelte Flächen und die verwendeten Materialien auf das Klima einer Stadt aus. Grundsätzlich heizen sich Beton, Asphalt, Stein und Metall – also Gebäude, Straßen und Autos – rasch auf und geben auch nachts noch Hitze ab. Wasser- und Grünflächen dagegen halten die Umgebung kühl – und können als Wasserfall oder vertikale Begrünung auch an Hausfassaden eingesetzt werden. Sogenannte Kühlschneisen bringen kalte Luft aus dem Umland in die Städte und sollten nicht zugebaut werden. Auch die städtischen Pflanzen- und Baumarten sollten laut Birkmann an das veränderte Klima angepasst werden.

Welche Baumaßnahmen wo Sinn machen, ist unterschiedlich. Birkmann schlägt etwa eine verbindliche Mindestquadratmeterzahl an verschatteter Grünfläche pro Person in dicht besiedelten Gebieten vor. "Man könnte auch Shopping-Malls oder Teile von Gewerbegebieten zukünftig so bauen, dass Erdgeschoss und erster Stock in einen komplett grünen Raum verwandelt werden – und man auf einer Rolltreppe dann in den zweiten Stock fährt. Innovative Ansätze sind hier gefragt", sagt er. Grünflächen puffern nicht nur Hitze ab, sondern können im Falle von Starkregen auch sensible Bereiche vor Überschwemmungen schützen.

Nach oben Link kopieren

Wer ist für Hitzeschutz verantwortlich?

Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel beschäftigt sich seit 2008 mit den Auswirkungen von Hitze auf die deutsche Bevölkerung und wird regelmäßig vom Bund aktualisiert. Insgesamt enthält sie 33 Ziele und 45 Unterziele in verschiedenen Aktionsfeldern, die bis 2030 beziehungsweise 2050 erreicht werden sollen. Bis 2030 sollen demnach für 80 Prozent der Gemeinden Konzepte vorliegen. Bei etwa einem Zehntel der Kommunen und einem Viertel der Landkreise war dies Ende 2024 bereits der Fall.

2023 legte das Bundesgesundheitsministerium einen eigenen Hitzeschutzplan vor, der weiter ergänzt wird. Hinzu kommen mehrere Kampagnen zur Aufklärung der Bevölkerung und von Fachpersonal in Einrichtungen für besonders vulnerable Gruppen. Die Zuständigkeit für konkrete Hitzemaßnahmen und Aktionspläne liegt wiederum bei den Ländern und Kommunen – jedoch auf freiwilliger Basis. 

Nach oben Link kopieren

Was wird in deutschen Städten schon getan – und woran fehlt es?

Mehrere Städte und Kommunen haben lokale Hitzeschutzpläne erstellt und bieten Informationen für die Bevölkerung an. Freiburg erhielt für sein ganzheitliches städtebauliches Klimaanpassungskonzept mehrere Preise. Frankfurt am Main macht bei Neu- und Umbauten eine klimaangepasste Gestaltung zur Pflicht. Ludwigsburg in Baden-Württemberg hat seinen Arsenalplatz für rund fünf Millionen Euro umgestaltet: Aus einem Parkplatz wurde eine grüne Gemeinschaftsfläche. Hannover baut einen Tiny Forest zur Abkühlung im Stadtteil Vahrenwald, Bremen passt seine Dechanatstraße an die veränderten Klimabedingungen an. Nürnberg will das Pflanzen von Bäumen fördern.

In Berlin eröffnete in diesem Sommer ein Cooling Point im Mauerpark mit verschatteten Sitzmöglichkeiten und Trinkbrunnen. Mehrere Städte wie Wiesbaden und Delmenhorst machen Netzwerke aus Cafés und Lokalen sichtbar, in welchen Menschen ihre Trinkwasserflaschen auffüllen können. Mönchengladbach, Bonn und Kassel stellen eigene Trinkbrunnen auf. Münster verteilt Aufkleber, welche die Farbe ändern, wenn die Raumtemperatur auf mehr als 28 Grad Celsius steigt, und hat ein "Mobiles grünes Zimmer" in der Innenstadt installiert, welches die Wirkung von Pflanzen in der Stadt zeigen soll. Augsburger Apotheken sollen Handfächer und Infomaterial auslegen. Osnabrück hat ein Hitzetelefon gestartet, das nach Anmeldung ältere Menschen vor Hitzeperioden warnt und über Schutzmaßnahmen informiert. 

Diese kleineren Projekte haben zwar laut Birkmann eine wichtige Signalfunktion, seien jedoch nur "Tropfen auf den heißen Stein, im wahrsten Sinne des Wortes". Es brauche zusätzlich strukturelle Maßnahmen. Derzeit werde Hitzeschutz etwa nicht bei allen Bauprojekten mitgeplant. Und selbst wenn: "Dabei sollte man auch bedenken, wie sich die Hitzebelastung in 30, 50 oder hundert Jahren entwickeln wird. Denn viele Gebäude werden dann noch stehen", sagt Birkmann.

Nach oben Link kopieren

Wo muss noch etwas getan werden?

Auch dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit gehen die bisherigen Hitzeaktionspläne nicht weit genug. Klare Zuständigkeiten im Katastrophenfall fehlten, sagt Martin Herrmann und moniert: "Ein flächendeckender, gestufter Notfallplan, der auch vulnerable Gruppen berücksichtigt, ist wirklich überfällig."

Die Linke forderte kürzere Arbeitszeiten und mehr Pausen an Hitzetagen. Momentan gilt: Liegt die Lufttemperaturen in Arbeitsräumen bei mehr als 26 Grad, sollte der Arbeitgeber gemäß der Arbeitsstättenverordnung Maßnahmen ergreifen; verpflichtend wird dies aber erst ab 30 Grad. 

Birkmann sagt, dass der Fokus aktuell stark auf Orten liege, an denen sich Menschen lange aufhalten – etwa die eigene Wohnung. "Aber die Menschen brauchen auch kühle Wege, etwa wenn sie zur Arbeit fahren oder die Kinder in die Kita bringen. Sie wollen ja eine lebendige Stadt und keine, in der man sich während jeder Hitzewellen in der Wohnung oder im klimatisierten Einkaufszentrum verschanzen muss." Er fordert daher, kurzfristige Maßnahmen während akuter Hitzeperioden und langfristige Strukturanpassungen miteinander zu verbinden. 

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

Nach oben Link kopieren