Erst abgelehnt, dann doch zugelassen: Das kann das neue Akne-Mittel

Mitesser, Pusteln, schmerzhafte Knoten – oft im Gesicht, manchmal auch an Brust oder Rücken. Akne ist eine der häufigsten Hauterkrankungen. Sie betrifft vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, manchmal auch Menschen weit über die Pubertät hinaus. Und sie sorgt für Leid, gerade in jungen Jahren, wenn man sich unsicher fühlt und Akne im Gesicht weithin sichtbar ist. Viele schämen sich oder denken, sie seien selbst schuld, weil sie bei der Hautpflege etwas falsch machen. Dabei ist Akne keine Frage der Hygiene, sondern eine chronisch-entzündliche Erkrankung der Haut.

Jetzt gibt es einen neuen Wirkstoff gegen Akne, Clascoteron, Handelsname Winlevi. Die Euopäische Arznemittel-Agentur EMA hat ihn jüngst zur Zulassung für Jugendliche ab zwölf Jahren empfohlen. Die Hersteller bewerben Clascoteron als "Durchbruch". Aber stimmt das?

Eine Premiere ist der Wirkstoff auf jeden Fall: Es ist das erste neue Akne-Medikament seit Jahrzehnten, das auf einem neuen Wirkmechanismus beruht, indem es von außen und nur lokal die hormonellen Ursachen von Akne bekämpft. Clascoteron ist ein sogenannter topischer Androgenrezeptor-Hemmer. Es blockiert also die Wirkung von Sexualhormonen in der Talgdrüse, reduziert so die Produktion von Hauttalg und in der Folge auch Entzündung.

Akne entsteht nämlich, wenn zu viel Talg die Ausgänge der Follikel verstopft. Das Hautbakterium Cutibacterium acnes vermehrt sich in diesem Milieu. Das führt zu Entzündungen, zu Papeln und Pusteln, manchmal sogar zu tiefen Knoten, die schmerzhaft sind und Narben hinterlassen können. Silke Hofmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Dermatologie an der Universität Witten/Herdecke. Sie sagt: "Weniger Talg, weniger Mitesser, weniger entzündliche Pickel, das ist ein gut nachvollziehbarer pathophysiologischer Mechanismus."

Bislang konnte man die Wirkung der Sexualhormone in den Follikeln nur durch Medikamente dämpfen, die oral eingenommen werden und damit den ganzen Körper beeinflussen – sogenannte systemische Anti-Androgene wie Cyproteronacetat. Sie dürfen nur eingesetzt werden, wenn andere Behandlungen nicht erfolgreich waren, wegen zum Teil starker Nebenwirkungen: Thrombosen, Lebererkrankungen, Menstruationsstörungen, Brustvergrößerungen bei Männern.

In der Zulassungsstudie für das neue Medikament Clascoteron mit 1.440 Jugendlichen und Erwachsenen zeigten sich Nebenwirkungen, die deutlich weniger gravierend waren. Darunter waren vor allem lokale Rötungen, Trockenheit, Juckreiz oder Schuppungen der Haut – meist mild und vorübergehend. Selten wurden Schwellungen, Hautverfärbungen, Kontaktdermatitis oder erhöhte Kaliumwerte im Blut beobachtet.

Dafür verbesserte sich nach zwölf Wochen zweimal täglicher Anwendung bei rund 20 Prozent der Behandelten die Haut so deutlich, dass sie als "klar" oder "fast klar" eingestuft wurde. Ein Teil der Probandinnen bekam als Placebo eine Creme ohne Wirkstoff. In der Gruppe hatte sich die Haut bei nur sechs bis neun Prozent deutlich verbessert. Nach einem Jahr Anwendung hatte die Hälfte der Probanden weniger Pickel und Pusteln, darin enthalten waren 30 Prozent, die eine klare oder fast klare Haut hatten.

"Ungefähr zwanzig bis dreißig Prozent Wirksamkeit, das ist in Ordnung, aber nicht so, dass ich sage: Das ist der absolute Hammer", sagt Hjalmar Kurzen, niedergelassener Dermatologe und Professor für Dermatologie und Venerologie an der TU München. Es fehle in der Studie ein Vergleich des neuen Präparats mit etablierten Wirkstoffen, das mache die Einordnung schwer. "Man kann das neue Mittel als Durchbruch bezeichnen, weil es ein völlig neuer Mechanismus ist – aber nicht wegen einer überwältigenden Wirksamkeit", sagt Kurzen. Auch Hofmann sagt: Die Wirksamkeit sei in den Studien zwar signifikant, aber nicht überragend.

Bislang wurde in der Aknetherapie auf andere Wirkstoffgruppen gesetzt: Topische Retinoide – das sind Cremes mit Vitamin-A-Säure – lösen Verhornungen, fördern den Talgabfluss und wirken entzündungshemmend. Antibiotika, ob als Creme oder Tablette, dämpfen Entzündungen und beeinflussen das Bakterium Cutibacterium acnes. Benzoylperoxid ist häufig in rezeptfreien Waschcremes enthalten, es wirkt antibakteriell und sorgt ebenfalls dafür, dass sich die Hornschicht der Haut lösen kann.

"Die besten Effekte erzielen wir bisher, wenn wir zwei dieser drei Substanzen kombinieren", sagt die Dermatologin Silke Hofmann. Bleibt die Akne trotz mehrfacher Therapieversuche bestehen, können systemische Antibiotika helfen. Bei sehr schweren Verläufen kommt auch  Isotretinoin zum Einsatz, es lässt die Talgdrüsen schrumpfen, bei den meisten Patienten heilt die Akne dann dauerhaft ab. Isotretinoin ist allerdings streng teratogen, schädigt also das Erbmaterial stark. Bei einer Schwangerschaft kann es zu schweren Missbildungen des Embryos führen. Frauen im gebärfähigen Alter dürfen nur damit behandelt werden, wenn sie parallel die Pille nehmen und streng verhüten.

Insgesamt habe man aber schon jetzt viele gute Instrumente gegen Akne, sagt Hjalmar Kurzen. Nicht jeder Patient vertrage sie, nicht bei jedem wirkten sie. "Es bleibt immer eine Gruppe, die unzufrieden ist, weil die erste oder zweite Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt", sagt Kurzen. Er ist sich mit Hofmann einig: Clascoteron ist ein wichtiger Fortschritt, weil es den Baukasten der Akne-Therapie um einen neuen Ansatz erweitert.

Die EMA sagt erst Nein

Tatsächlich war der Weg dorthin steinig. Im April 2025 lehnte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zulassung zunächst ab. Grund waren Sicherheitsbedenken: Clascoteron könne ins Blut gelangen und einen zentralen Regelkreis des Körpers stören, die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, in der das Stresshormon Cortisol entscheidend ist: Es beeinflusst den Stoffwechsel, den Blutdruck, die Immunabwehr – und auch die Reifungsvorgänge in der Pubertät. Wenn dieser Regelkreis gestört wird und Jugendliche einen dauerhaft zu niedrigen Cortisolpegel haben, kann das zu Wachstumsstörungen oder zu einer verzögerten Geschlechtsentwicklung führen.

In Studien mit hoch dosiertem, großflächig aufgetragendem Clascoteron hatten fünf Prozent der Erwachsenen, neun Prozent der Jugendlichen und 15 Prozent der Kinder im Alter von neun bis elf Jahren verringerte Cortisolwerte. Allerdings ohne, dass sich das durch Symptome bemerkbar machte. Vier Wochen nach Absetzen von Clascoteron normalisierten sich die Werte wieder.

Das ließ die EMA zunächst zögern, doch als die Behörde im August 2025 die Daten erneut prüfte, revidierte sie ihr Urteil vom April: Der Nutzen von Clascoteron sei größer als das Risiko – wenn bestimmte Schutzmaßnahmen bei der Behandlung ergriffen werden. So darf das Medikament nur von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden, die Erfahrung in der Behandlung von Akne haben. Es dürfe auch nur im Gesicht angewendet werden, nicht auf größeren Flächen wie Rücken oder Brust, sagt Silke Hofmann. In den USA sei der Wirkstoff seit mehreren Jahren zugelassen. Problematische Nebenwirkungen durch eine Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse hätten sich dabei nicht bestätigt, sagt Hofmann.

Nun liegt also eine positive Empfehlung auch für Europa vor. Final entscheidet die EU-Kommission über eine Zulassung, aber die gilt als wahrscheinlich. 

Für viele Betroffene, die mit den bisherigen Therapien nicht den gewünschten Erfolg hatten, könnte das einen Unterschied machen. Auch wenn das neue Medikament kein Allheilmittel sein wird: Das therapeutische Arsenal für die Behandlung einer Krankheit, die so sichtbar und stigmatisierend ist, wächst. Das ist für Millionen Betroffene eine gute Nachricht.