Bundesregierung distanziert sich von Äußerungen Hendrik Streecks
Die Bundesregierung hat Äußerungen ihres Drogenbeauftragten Hendrik Streeck (CDU) zurückgewiesen, alten Menschen unter Umständen bestimmte teure Medikamente nicht mehr zu verabreichen. Der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer sagte, es sei legitim, wenn Streeck eigene Vorschläge mache. Aber er müsse sich auch der Verantwortung seines Amtes bewusst sein. Es wäre ratsam, bestimmte Themen zunächst vernünftig vorzubereiten.
Die Äußerungen des CDU-Politikers seien nicht die Position der Bundesregierung oder des Bundesgesundheitsministeriums, sagte Meyer. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums teilte mit: "Im Ministerium wird diese Zielrichtung nicht verfolgt."
"Ethisch unhaltbar"
Streeck hatte in der Talksendung Meinungsfreiheit des Senders Welt TV hinterfragt, ob sehr alte Menschen besonders teure Medikamente erhalten sollten. Es brauche in der medizinischen Selbstverwaltung klarere Richtlinien bei der Vergabe von Medikamenten mit Blick auf allgemeine Gesundheitskosten. "Es gibt einfach Phasen im Leben, wo man bestimmte Medikamente auch nicht mehr einfach so benutzen sollte", sagte Streeck. Dabei verwies der Mediziner beispielhaft auf eine teure Krebstherapie bei einer 100-Jährigen und auf Erfahrungen, die er in der letzten Lebensphase seines Vaters gemacht habe.
Streecks Äußerungen hatten für Empörung gesorgt. Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte laut Tagesspiegel eine Altersrationierung teurer Medikamente "ethisch unhaltbar und unnötig".
Empört reagierte auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz: "Jeder hat den gesetzlichen Anspruch auf eine bestmögliche Medikamentenversorgung. Ob das eine maximale oder palliative Therapie ist, hängt dabei sowohl vom Angebot als auch dem Willen des Patienten ab. Kosten und Alter dürfen keine Ausschlusskriterien sein", sagte Vorstand Eugen Brysch. Anstatt sozialen Unfrieden zu stiften, solle sich der Beauftragte auf seine Kernaufgaben der Drogenbekämpfung konzentrieren, fügte Brysch hinzu.
"Sägt am gesellschaftlichen Zusammenhalt"
Auch die Linke reagierte mit Kritik. "Solche Gedankenspiele von einem CDU-Gesundheitspolitiker sind nur noch beschämend", sagte der Vorsitzende der Linksfraktion, Sören Pellmann, der Rheinischen Post. "Diese Debatte zu eröffnen, sägt weiter am gesellschaftlichen Zusammenhalt. Streeck muss seinen Vorstoß mal ausbuchstabieren: Ab welchem Alter soll denn ein Leben aus seiner Sicht nicht mehr schützenswert sein – ab 85, 90, 95?"
Pellmann kritisierte, dass arme Menschen im Schnitt ohnehin deutlich früher als wohlhabende Menschen sterben. "Und jetzt sollen ihnen auch noch lebensverlängernde Therapien verweigert werden?", sagte der Fraktionsvorsitzende. Aus seiner Sicht wäre es sinnvoller, "die Preise neuer Arzneimittel zu begrenzen, die in den vergangenen Jahren weiter explodiert sind".
Streeck präzisiert Äußerungen
Streeck präzisierte später seine Aussagen. "Es geht nicht ums Sparen, sondern darum, Menschen etwas zu ersparen: Wie wir sie in ihren letzten Lebensphasen verantwortungsvoll begleiten – statt sie aus falschen Anreizen zu überversorgen", schrieb er in einem Gastbeitrag für den Bonner General-Anzeiger und die Rheinische Post.
In Deutschland sei die Lebensverlängerung noch immer das höchste Ziel. "Doch wer je erlebt hat, wie ein hochbetagter Mensch auf einer Intensivstation um sein Leben ringt, weiß: Nicht alles, was medizinisch möglich ist, ist auch menschlich vertretbar", schrieb Streeck.
Ältere, hochfragile Menschen würden nicht selten "tot operiert" – nicht aus Böswilligkeit, sondern weil das System falsche Anreize setze. Entscheidend in solchen Fällen müssten aber der Wunsch des Patienten, seine Würde und sein Frieden sein. "Manchmal ist die größere Fürsorge, nicht alles zu tun, was man kann", schrieb Streeck.