Tschechien kämpft gegen Ausbruch von Hepatitis A
In Tschechien steigt die Zahl der Infektionen mit Hepatitis A seit Monaten – zuletzt erreichte sie den höchsten Stand seit 1989. Das Gesundheitsinstitut warnt vor einer weiteren Ausbreitung, das Gesundheitsministerium bestellte mehr Impfstoff. Wie gefährlich ist die Hepatitis-A-Welle in Tschechien? Welche Maßnahmen ergreift das Land? Und was bedeutet der Ausbruch für Deutschland? Die wichtigsten Antworten
Wie viele Menschen haben sich in Tschechien bereits mit Hepatitis A infiziert?
Das Staatliche Gesundheitsinstitut in Tschechien (SZÚ) hat von Januar bis Mitte November 2.597 Fälle von Infektionen mit Hepatitis A registriert. Das sind viermal so viele wie im gesamten Vorjahr und der höchste Stand seit 1989, wie das SZÚ mitteilte (PDF). 2.032 der Infizierten wurden demnach im Krankenhaus behandelt. 29 Menschen starben an Hepatitis A. Im Vorjahr hatte es insgesamt nur zwei Todesfälle gegeben.
Ansteckungen mit Hepatitis A gab es dem Gesundheitsinstitut zufolge in allen Altersgruppen – von Kleinkindern bis Senioren. Besonders gefährdet sind demnach Menschen, die unter geringen Hygienestandards leben, Drogenabhängige und Obdachlose.
Seit September kamen dem SZÚ zufolge im Schnitt jede Woche etwa hundert Infektionen hinzu. Besonders betroffen ist die Hauptstadt Prag. Dort wurden seit Januar mehr als 1.100 Fälle registriert. Auch Karlsbad und die Regionen Mittelböhmen und Mähren-Schlesien sind betroffen. Im Wintersportort Boží Dar im Erzgebirge warnen die Behörden vor erhöhter Ansteckungsgefahr.
Droht eine weitere Ausbreitung in Tschechien?
Von einer Entspannung der Lage geht das Gesundheitsinstitut derzeit nicht aus. Das SZÚ rechne mit rund 500 Neuansteckungen pro Monat, sagte die Sprecherin des Instituts, Štěpánka Čechová, der tschechischen Nachrichtenagentur ČTK am Freitag.
Hinzu kommt: Die Zahl der Infizierten dürfte aktuell höher liegen als vom SKÚ angegeben. "Angesichts der Tatsache, dass Hepatitis A bei vielen Menschen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, symptomfrei verlaufen kann, ist die Zahl der Infizierten wahrscheinlich viel höher", sagte Čechová. "Leider können gerade symptomfreie Patienten die Infektion völlig unwissentlich verbreiten, was eines der großen Risiken im Kampf gegen Hepatitis A darstellt."
"Die Situation kann nur durch eine schrittweise Impfung der anfälligen Bevölkerung in Verbindung mit einer möglichst hohen Durchimpfungsrate gebremst werden", sagte sie. Damit die Impfung einen Einfluss auf die Ausbreitung der Krankheit hat, müssten 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein oder die Krankheit durchgemacht haben.
Gibt es genug Impfstoff?
Seit Januar haben sich Angaben der Nachrichtenagentur ČTK zufolge mehr als 207.000 Menschen in Tschechien gegen Hepatitis A impfen lassen, fast dreimal so viele wie im gesamten letzten Jahr. Das Interesse an den Impfungen sei extrem, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Tschechischen Impfgesellschaft, Hana Cabrnochová, dem Sender Radio Prague International.
Besonders in der Hauptstadt Prag rechnen Gesundheitsexperten mit Engpässen. Für eine flächendeckende Impfkampagne in Prag gebe es derzeit nicht genug Impfstoff, sagte die Leiterin des Gesundheitsinstituts, Barbora Macková, der ČTK. Und auch die Sprecherin des Prager Gesundheitsamtes, Petra Batók, warnte vor Impfstoffknappheit. "Uns freut das Interesse. Die steigenden Fallzahlen und der damit einhergehende Impfbedarf waren aber absolut nicht vorhersehbar. Deshalb sind Engpässe möglich", sagte sie Radio Prague International. Im Impfzentrum in Prag gebe es erst wieder im Dezember freie Termine.
In ganz Tschechien gibt es Angaben des Gesundheitsministeriums zufolge aktuell noch einige Zehntausend verfügbare Impfdosen gegen Hepatitis A. Und in den kommenden Tagen wird eine weitere Lieferung erwartet. Insgesamt 125.000 Dosen für Kinder und Erwachsene sind bestellt. "Das Interesse an Impfungen gegen Hepatitis A ist weiterhin hoch, weshalb das Gesundheitsministerium die Verhandlungen über weitere Sonderlieferungen fortsetzt", teilte Gesundheitsminister Vlastimil Válek mit. Weitere Lieferungen sind demnach bis Ende des Jahres und für Januar 2026 geplant.
Matyáš Fošum, Leiter des Referats für den Schutz der öffentlichen Gesundheit, zufolge verhandelt Tschechien auch auf europäischer Ebene über weitere Impfdosen: "Es gibt verschiedene Notfallversorgungssysteme, sowohl vonseiten der EU beziehungsweise der Europäischen Kommission als auch von der Weltgesundheitsorganisation. Wir versuchen gerade, Impfvorräte aus den Reserven in der EU zu erhalten", sagte er dem Sender Radio Prague International.
Welche Maßnahmen ergreift Tschechien gegen den Ausbruch?
Neben Impfungen setzen die Behörden auf erhöhte Hygienemaßnahmen und Aufklärung. Die Prager Verkehrsbetriebe (DPP) haben etwa begonnen, ihre Fahrzeuge zusätzlich zu desinfizieren. Sprecherin Aneta Řehková sagte dem Tschechischen Rundfunk: "Die Desinfektion verläuft genauso wie während der Coronapandemie." Busse, Straßenbahnen und Haltestellen würden präventiv gereinigt.
Die Leiterin des tschechischen Gesundheitsamtes, Barbora Macková, rief die Städte und Gemeinden auf, bei den diesjährigen Weihnachtsmärkten für Aufklärung zu sorgen. Veranstalter sollten Desinfektionsmittel und Möglichkeiten zum Händewaschen bereitstellen.
Was bedeuten die Infektionen für deutsche Grenzregionen?
Das Gesundheitsministerium in Sachsen sieht derzeit keine Gefahr für die Bevölkerung. "Die Presseveröffentlichungen aus Tschechien verweisen auf Schmierinfektionen, die von Personen ausgehen, die ohne festen Wohnsitz oder unter schlechten hygienischen Bedingungen leben beziehungsweise Drogen konsumieren", teilte das Ministerium dem Sender MDR mit. Die Weiterverbreitung in der übrigen Bevölkerung in Tschechien beruhe "wohl vor allem auf den niedrigen Impfquoten der dortigen Bevölkerung". Die Behörden gingen von einer Übertragung direkt von Mensch zu Mensch aus, Lebensmittel oder Trinkwasser spielten als Übertagungswege keine Rolle.
Worauf müssen Reisende achten?
Das Auswärtige Amt empfiehlt Reisenden nach Tschechien eine Impfung gegen Hepatitis A. Da die Behörden in Tschechien vor allem von einer Übertragung durch Kontakt- und Schmierinfektion ausgehen, sollte auf eine konsequente Hygiene wie gründliches Händewaschen geachtet werden. Grundsätzlich gilt bei der Prävention von Hepatitis A auch Vorsicht beim Konsum von Wasser und Lebensmitteln.
Das tschechische Gesundheitsministerium teilte dem Sender Radio Prague International zufolge am Donnerstag mit, dass Warnungen anderer Länder vor der Hepatitis-A-Welle in Tschechien zwar legitim seien. Es gebe jedoch keinen Grund für Reisewarnungen.
Was ist Hepatitis A?
Hepatitis A ist eine akute Entzündung der Leber. Symptome sind Übelkeit, Appetitlosigkeit, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen. Im weiteren Verlauf färbt sich oftmals der Urin dunkel und der Kot hell. Auch eine Gelbfärbung von Haut und Augen ist typisch.
Hepatitis A gilt als die am wenigsten gefährliche Form der Virus-Hepatitis. Sie heilt meist von allein aus und hinterlässt keine bleibenden Schäden. Wer einmal mit dem Hepatitis-A-Virus infiziert war, ist dagegen immun.
Das Virus wird durch Kontakt- und Schmierinfektion übertragen, zum Beispiel über Hände oder Oberflächen. Zudem können verunreinigte Lebensmittel und Wasser das Virus übertragen. Auch beim Drogenkonsum und Sex sind Ansteckungen möglich.
In Ländern mit hohem Hygienestandard tritt das Virus eher selten auf. Besonders gefährdet sind Menschen mit Vorerkrankungen oder einem hohen Alter.