Durch die Drehtür raus

Während einer Redeschlacht im Bundestag rief Herbert Wehner 1975 der empört den Saal verlassenden Unionsfraktion den legendären Satz hinterher: "Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen!" Das gilt so ähnlich auch für die USA und die Unesco. Im kommenden Jahr werden die Amerikaner dort austreten und dann zum insgesamt dritten Mal den Saal verlassen haben; wahrscheinlich werden sie irgendwann nach Trump wieder hereinkommen.

Die Unesco ist jene Organisation der Vereinten Nationen, die sich erdumspannend um Kultur und Wissenschaft kümmert und die Verständigung unter den Ländern befördern möchte. Sie ist finanziell gut ausgestattet, was sie nie zugeben würde, notorisch intransparent, überall willkommen mit ihren Fördergeldern, aber alles andere als politisch unschuldig. Von ihren Mitgliedsstaaten wird sie gerne als Bühne genutzt: Die Europäer signalisieren auf diese Weise, dass sie an Multilateralismus und Menschenrechtspolitik festhalten, die Chinesen verbreiten mit der Unesco ihr Weltbild in Afrika, die Palästinenser haben die Kulissen der Kultur immer benutzt, um auf ihre Belange aufmerksam zu machen und Israel zu isolieren.

An Letzteres erinnern sich nun alle Beteiligten, da in Gaza der Krieg tobt. Die Palästinenserfrage war immer der Treibsatz, der die Weltkulturorganisation in den Krisenmodus beförderte, und zwar regelmäßig und ausgelöst durch die Vereinigten Staaten. Schon 1974 kürzte Präsident Gerald Ford wegen einer Resolution der  Palästinensischen Befreiungsorganisation amerikanische Beitragszahlungen, 1984 dann traten die Amerikaner unter Reagan erstmals aus, ein Jahr später gefolgt von Großbritannien unter Margaret Thatcher. Blair und Bush traten wieder ein. 2011 nahm die Unesco Palästina als offiziellen "Mitgliedsstaat" auf. Fünf Jahre später verabschiedete sie eine Resolution auf Betreiben arabischer Länder, in der es um die Aufnahme Ostjerusalems, später auch Hebrons, in die Liste des Weltkulturerbes ging – und zwar ausschließlich als palästinensisches Erbe. 2018 der erneute Austritt der USA, diesmal begleitet von Israel. Biden trat wieder ein; kommendes Jahr will Trump abermals den Saal verlassen. So geht's seit 50 Jahren.

Eine Solidaritätsgeste gegenüber Israel

Die USA werden dann mit 75 Millionen Dollar als wichtigster Beitragszahler ausfallen. Ihre Schulden bei der Unesco, die etwa 600 Millionen Dollar betragen, zahlen sie vorerst nicht zurück. Der amerikanische Rückzug kommt nach den Austritten aus der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem UN-Menschenrechtsrat nicht überraschend, er folgt gewissermaßen aus dem trumpschen MAGA-Programm. Dass der Präsident mit dieser Entscheidung seinen Kulturkampf gegen das "woke" Lager im Inland symbolisch weiterführt oder sogar von seiner Verwicklung in die Epstein-Affäre ablenkt, mag stimmen. Politisch wichtiger ist die Solidaritätsgeste gegenüber Israel, und sie erfolgt nicht ohne Hinweis auf die antizionistische Haltung der kulturellen Weltöffentlichkeit.

Dass diese Haltung weitverbreitet ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Selbstverständlich war auch die Unesco über viele Jahre Schauplatz palästinensischer Propaganda. BDS-Kampagnen verstanden sich als "kulturelle Intifada", sie waren lange von der Hamas kontrolliert worden und wollten ausdrücklich auch internationale Organisationen beeinflussen. Das gelang, vor allem im Rahmen der Unesco, wo auch die arabischen Staaten gegen Israel Front machen konnten, ohne dafür einen politischen Preis zu bezahlen.

In den multilateralen Zusammenhängen drängt sich nun jedoch die Frage auf, was "Palästina" heute politisch repräsentiert und wer für dieses unglückliche Volk sprechen darf. Die Unesco wird diese Frage wahrscheinlich nicht beantworten, obwohl sie als Kulturorganisation aufgerufen wäre, sich jener Problematik zu stellen. Auf diese kommunikative Schwäche der Unesco deutet der amerikanische Austritt wie ein Zeigefinger. Finanziell ist der Ausfall schmerzlich, aber zu verkraften. China, ein Land mit großem Interesse an smarter, also kultureller Außenpolitik, wird in den nächsten Jahren versuchen, seine Präsenz in der Weltöffentlichkeit mithilfe der Unesco zu stärken. Das wird dann vermutlich der Anlass für einen Wiedereintritt der USA sein.