„Oxana – mein Leben für Freiheit“ im Kino: Vom Leben und Tod einer Kriegerin

Was bleibt von einer Kriegerin, wenn man ihr den Kampf nimmt? In einem schicken Pariser Bistro stellt eine Journalistin diese Frage an Oxana (Albina Korzh), die da bereits fünf Jahre als politisch Geflüchtete in Frankreich lebt.

„Femen ist eine Idee“, antwortet sie, während sie ihr Glas Rotwein hinunterstürzt. „Der Aktivist ist anonym. Kein Ego. Kein Ruhm. Alle können Femen sein.“ Doch Oxanas Augen sind leer. Sie hat, so scheint es, den Kampf längst aufgegeben.

„Oxana – mein Leben für Freiheit“ basiert auf der Lebensgeschichte von Oksana Schatschko, geboren 1987 in der Ukraine, damals noch Teil der Sowjetunion, die als junge Frau gemeinsam mit zwei Mitstreiterinnen die feministische Femen-Bewegung gründete.

Der Film

„Oxana – mein Leben für Freiheit“, Frankreich/Ukraine/Ungarn, Regie: Charlène Favier, Drehbuch: Charlène Favier, Antoine Lacomblez, Besetzung: Albina Korzh, Maryna Koshkina, Lada Korovai. Kinostart am 24. Juli 2025.

Nach mehreren Dokumentarfilmen ist das Drama der französischen Regisseurin Charlène Favier der erste Spielfilm über das kurze Leben der Aktivistin und Künstlerin, die 2018 in ihrer Wohnung in Montrouge, einem Vorort von Paris, Suizid beging.

Brüste als Waffe

Favier, die auch beim Drehbuch mitschrieb, erzählt auf zwei sich abwechselnden Zeitebenen von Oxanas Leben. Eine verläuft linear und beginnt damit, wie Oxana in armen Verhältnissen in der Ukraine aufwächst.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ihr Vater hat den Job verloren und trinkt nur noch, zu ihrer Mutter Lesia (Olesya Ostrovska) pflegt Oxana ein inniges, liebevolles Verhältnis. Die Teenagerin verdient für die Familie Geld hinzu, indem sie Ikonenbilder malt, wird dabei allerdings vom orthodoxen Priester übers Ohr gehauen.

Im Fernsehen laufen Meldungen über Vergewaltigungen und Femizide. Oxana schließt sich mit zwei Freundinnen zusammen und beginnt, zu protestieren, zunächst gegen Zwangsprostitution, Zuhälterei und Korruption in der Ukraine. In Kiew gründen sie die Femen-Bewegung, deren Markenzeichen ihre Blumenkränze auf dem Kopf sind, bis sich Oxana, in einer spontanen Eingebung, bei einer Aktion die Klamotten vom Leib reißt – die Presse reagiert sofort.

„Unsere Brüste sind unsere Waffen“, überzeugt sie ihre zunächst skeptischen Mitstreiterinnen von der Sinnhaftigkeit ihrer Nacktheit. Femen wird fortan immer bekannter, die Aktionen immer gefährlicher. Denn längst protestieren die jungen Frauen nicht nur in der Ukraine, sondern auch gegen Lukaschenko in Belarus oder gegen Putin in Russland.

In Szene gesetzt wie eine Ikone

Die zweite Zeitebene zeigt Szenen aus dem letzten Tag von Oxanas Leben. Sie malt in ihrem Atelier, sie telefoniert mit ihrer Mutter, die sie seit fünf Jahren nicht gesehen hat, sie gibt der besagten Journalistin ein Interview, denn es ist der Tag, an dem ihre erste große Ausstellung eröffnet wird.

Einer Sachbearbeiterin in der Asylbehörde erzählt Oxana, was sie erlebt hat. Wie sie in einem Wald in Belarus mit Benzin übergossen und fast angezündet, in Russland gefoltert wurde, wie sie mit zwei gebrochenen Armen nach Paris geflohen ist. Die Antwort: „Das hier ist ein Asylgesuch, kein Roman. Sie müssen nichts erfinden.“

Im Kampf vereint: Oxana (Albina Korzh) und Inna (Maryna Koshkina) protestieren.

© 2024 - Rectangle Productions/2.4.7. Films/Hero Squared/France 3 Cinéma/Tabor Ltd/X Verleih AG

Die realen Ereignisse von Oksana Schatschkos Leben sind im Film dramatisch verdichtet, teilweise verändert und im Ergebnis oft etwas zu plakativ geraten, die Ideen zu sehr ausbuchstabiert. Stärker als das Drehbuch sind die dunklen Bilder, die Kameramann Eric Dumont einfängt.

Sie erinnern an die barocken oder romantischen Gemälde, die Oxana studiert, oft ist nur das Gesicht der Protagonistin erleuchtet, wie eine ihrer Ikonen wird sie in Szene gesetzt. Die Ukranerin Albina Korzh beeindruckt in der Titelrolle, in ihrem Schwanken zwischen Verletzlichkeit und fast religiösem Furor, zwischen Wut und Verzweiflung.  

Was Oxana gebrochen hat, so suggeriert der Film, waren nicht nur Schikane und Folter, sondern vor allem der Verrat ihrer einstigen Mitstreiterin Inna (Maryna Koshkina), die in Paris auf eigene Faust eine Femen-Gruppe aufgemacht hat, und der darauf folgende Verlust ihrer Bewegung, in der für sie plötzlich kein Platz mehr war. Dass es doch Ego im Aktivismus gab. Dass ihr, dieser großen Kriegerin, der Kampf genommen wurde.