"In Wahrheit scheitert das Ding auf Seite eins"
DIE ZEIT: Marc Elsberg, seit wann arbeiten Sie mit KI?
Marc Elsberg: Ich habe früh damit experimentiert, aber die Systeme waren für meine Zwecke lange unbrauchbar. Mein letzter Roman °C – Celsius erschien 2023. Damals stand alles noch am Anfang.
ZEIT: Und wann dachten Sie: Jetzt geht’s los?
Elsberg: Das hängt davon ab, wofür man KIs nutzt. Manches geht schon seit Längerem recht gut, anderes erst seit Kurzem.
ZEIT: Die Vorstellung, dass ein Schriftsteller mit KI arbeitet – für viele ist das ein Sakrileg.
Elsberg: Ja. Für viele, die nicht mit Textarbeit vertraut sind, wirkt KI wie Magie. Das größte Problem sehe ich derzeit im Missverständnis darüber, was KI wirklich kann.
ZEIT: Inwiefern?
Elsberg: Viele glauben: Man sagt einfach "Schreib mir einen typischen Elsberg-Roman". Und zack, liefert die Maschine das fertige Buch. In Wahrheit scheitert das Ding schon auf Seite eins. Völliges Desaster.
ZEIT: Wie genau nutzen Sie dann KI?
Elsberg: Ich arbeite immer schon sehr strukturiert, plane also zuerst Handlung und Charaktere, bevor ich zu schreiben beginne. Das ist wie zu meiner Zeit in der Werbung: Da gab es den Creative Director, der konzipiert und Ideen kuratiert, und den Texter, der ein wenig konzipiert und viel produziert. Beim Bücherschreiben bin ich beides in einer Person. Konzipieren können die KIs noch sehr schlecht und schreiben so lala. Aber sie können mir beim Nachdenken darüber helfen.
ZEIT: KI ist also eine Art Sparringspartner?
Elsberg: Ja. Ich fange an, zu formulieren, schreibend zu denken, und merke dabei plötzlich, woran es eigentlich hakt. Ich spreche für meine Bücher oft mit Expertinnen und Experten, aber eben über Inhalte, nicht übers Schreiben selbst.
ZEIT: Sie tauschen sich mit der KI über Ihre Bücher aus?
Elsberg: Ja. Selbst wenn das Gegenüber keine echte Person ist, sondern eine Simulation: Mein Versuch, zu erklären, was ich will, zwingt mich zugleich, präzise zu sein. Und manchmal bekomme ich sogar ganz gute oder witzige Antworten.
ZEIT: Könnten das nicht auch Freunde oder Kolleginnen leisten?
Elsberg: Freunde wissen zu wenig über das Handwerk des Schreibens. Und die meisten befreundeten Autorinnen und Autoren arbeiten anders als ich. Kaum jemand muss so viel Recherche in eine Geschichte packen. Die meisten arbeiten auch weniger strukturiert.
ZEIT: Für viele ist gerade das Schreiben die eigentliche Kunst, das Mit-sich-selbst-Ausmachen.
Elsberg: Und das ist völlig legitim. Ich kenne viele Kolleginnen, für die beginnt die Kreativität genau da, im Schreiben selbst. Einfach loslegen, mit einer vagen Szene oder Handlungsidee im Kopf, und dann schauen, was passiert. Für mich wäre das das perfekte Rezept für eine Schreibblockade. Der blanke Horror.