Freiluftkunst am Havelstrand: Auf den Spuren Max Slevogts in Neukladow
Man steht mit Max Slevogt auf dem erhöhten Havelufer am Herrenhaus Neukladow und schaut ins Weite, so fühlt es sich an. Die Sonne strahlt, die Farben leuchten. Selbst die Schatten auf der Leinwand schimmern blitzblau, haben gar nichts Dunkles. Wie ausgeblichen vom grellen Tageslicht wirken die Töne, dabei hochintensiv: eine Helligkeit so typisch für Slevogt, der nach seinem Umzug aus Bayern in Berlin die Plein-Air-Malerei voll für sich entdeckte.
Die damals noch umstrittenen Werke der französischen Impressionisten hatte er gesehen. Im Garten des jungen Kunsthistorikers und Sammlers Johannes Guthmann konnte er diese Manier ungebremst erproben, mit skizzenhaftem Pinselschwung, frei und gelöst: Jede rote Blüte ein Klecks, jeder Ast ein rascher Strich, und das Weiß der Leinwand arbeitet mit.
Sommerfrische am Gutshaus
In dieser Schnellmalerei Slevogts steckt keine großstädtische Nervosität, wie später bei den Expressionisten, sondern das lässige Genießen eines sommerlichen Tages. Genau so kann es hier sein, noch immer. Um das hellgelbe Gutshaus Neukladow, um 1800 wohl von David Gilly errichtet und später von Paul Schultze-Naumburg neoklassizistisch modernisiert, kümmert sich seit 2006 eine Bürgerstiftung.
Unter den Sonnenschirmen darf jeder rasten und Torte bestellen, mit Havelblick. Früher verkehrten hier Schauspielerin Tilla Durieux, Regisseur Max Reinhardt, Schriftsteller Gerhart Hauptmann oder der spätere Außenminister Walther Rathenau.
Das zauberhafte Gartenbild von Slevogt, 1912 gemalt, gehört heute der Nationalgalerie. Andere Gemälde aus der Serie hängen verstreut in deutschen Museen. Seine luftig-phantasievollen Wandmalereien im Gartenpavillon von Neukladow sind verschwunden, genau wie der Pavillon selbst.

© Joeri Lefevre
Aber der Gutspark von Neukladow dient wieder als Freiluftatelier, mit seinen uralten Bäumen, verwilderten Wiesen und überraschend tief eingeschnittenen Senken. Schon zum viertel Mal lud letzten Sommer die private Guthmann Akademie internationale Kunstschaffende ein, hier zu arbeiten.
Die Lichtmalerei im Keller
Ist das nicht unzeitgemäß? Hat Plein-Air-Malerei heute noch Potenzial? Der Ertrag ist jetzt in Spandau zu begutachten, gut zwanzig Werke. Wie zum Trotz ist der Ausstellungsort fast lichtlos. Der 500 Jahre alte Keller eines Patrizierhauses nahe der mittelalterlichen Kirche St. Nikolai hat den Charme einer archäologischen Grabung, mit labyrinthisch verwinkelten Gewölbe- und Mauerresten.
Die Ausstellung
Bis 7.9., „Zwischen Wasser und Licht – KunstNetzWerk Neukladow“, Galerie Historischer Keller, Carl-Schurz-Straße 49/51, Mi-So 12-18.
Der weitläufige Gutspark Neukladow am Havelufer (Neukladower Allee 9-12) ist als öffentliche Gartenanlage immer zugänglich. Das Gutshaus mit Ausflugscafé ist aktuell täglich 12-17 Uhr geöffnet.
Erreichbar mit Bus X34, 134 oder 697 oder BVG-Fährlinie F10 S-Wannsee – Alt-Kladow.
Vasy Koval stellte seine klappbare Staffelei im Garten auf. 1986 in Lviv geboren, hat er nach seinem Master in Monumentalmalerei viele Jahre Freilichtmalereierfahrung in ukrainischen Landschaften gesammelt. Seine Formate sind winzig. Was er darauf zu ruhigen Farbflächen zusammenfasst, besitzt Dauer. Nur bei ihm blitzt auch das helle Gutshaus durch die Bäume, ein erkennbarer Ortsbezug.
Die Bildhauerin Birgit Cauer arbeitet experimenteller. Sie träufelte Salzsäure auf Naturstein, sodass sich Tropfen für Tropfen Löcher hineinfraßen. Das Licht spielt darin. Donna Fei rückte einen Klappstuhl auf die Wiese, notierte mit Bleistift feine Strukturen von angedeuteten Wellen oder Laubwerk, so sicher kann man sich da beim Betrachten nicht sein.
Julia Pietschmanns Großformat „Ufer“ mit Kohle und Pastellkreide lässt violette Kreise im Abstrakten schwimmen, wie Monetsche Seerosen ohne Wirklichkeitshaftung. Oliver Thie zog einen Neoprenanzug an und tauchte ab. Als forschender Zeichner hat er schon die Flugbewegungen von Vögeln und die Schatten von Objekten im Naturkundemuseum festgehalten. Jetzt zeichnete er den Weg einer winzigen Gehäuseschnecke unter Wasser nach: eine stetige Spur, fast abstrakt.
Es sind nachdenkliche Arbeiten, vorsichtig tastend und andeutend. Kein heiterer Überschwang, kein übermütiges Drauflospinseln wie bei Slevogt ist am Werk bei den Pleinairisten der Gegenwart. Sondern ein Sich-Vergewissern und Beobachten der Natur unter den Bedingungen des Wissens um ihre Gefährdung.
Auf den kleinen Ölbildern des Niederländers Joeri Léfevre schauen vereinzelte Menschen aufs Wasser hin. Die Erinnerung an Caspar David Friedrichs Mönch am Meer taucht auf. Aber die moderne Melancholie ist sachlich, ein nüchterner Befund. Auch ein Kinderwagen steht da, allein am Ufer. Léfevre hat das Bild „Letzte Generation“ genannt.