Auf dem Bagger ein König
Es ist am Morgen kalt
Da kommt der Willibald
Und klettert in den Bagger
Und baggert auf dem Acker
Ein großes tiefes Loch
Was noch?
(Dieter Süverkrüp: Baggerführer Willibald)
Der EXC815 ist, man muss das so sagen, ein Bild von einem Bagger: Schwarze Schaufel, blauer Arm, grobe Raupenketten, Mann will sofort aufspringen und an den Hebeln spielen – ja, wir reden hier von einer Männerfantasie, was denn sonst?
Aldi verkauft ab 31. August den Mini-Benzin Bagger EXC815 von Scheppach für 4.699 Euro. Einen Meter sechzig hoch, achteinhalb PS, aber eine Spurbreite so schmal, der "passt sogar durchs Gartentor", wie die Bild jubelt. Deshalb vor allem, weil quasi auf jeder zweiten Seite im deutschen Internet darüber berichtet wird und nun auch hier, ist die Aktion schon jetzt ein Erfolg. Denn eigentlich braucht ja fast niemand das Ding. Wer in seinem Leben tatsächlich mal selbst was baggern muss, kann sich so eine Baumaschine leihen, ab 70 Euro pro Tag. Es geht hier, wie gesagt, nicht um Vernunft oder nüchterne Notwendigkeiten, sondern um eine mächtige Fantasie: Der Bagger ist in Deutschland das männliche Selbstwirksamkeitsideal schlechthin.
"So ein tolles Spielzeug!"
Man muss ja nur hinhören und hinsehen. Bei Mike Krüger zum Beispiel grub sich Bodo mit dem Bagger durch Vorgärten, Supermärkte, Discos ("Er nimmt ein Girl auf die Schaufel und sagt: Komm, hab mich lieb") und schließlich "um die ganze Welt". 1983 war das. "Ja, wer baggert da so spät noch am Baggerloch? Das ist Bodo mit dem Bagger, und der baggert noch." Es wurde, natürlich, ein Hit. "So ein tolles Spielzeug!", frohlockte Dieter-Thomas Heck, nachdem Krüger das Lied in der Hitparade vorgestellt hatte.
Bei Mike Krügers altem Kumpel Thomas Gottschalk fuhren derweil so viele Bagger durchs Wetten, dass..?-Studio, dass sie bald eine Art eigene Wettrubrik wurden. Kandidaten entzündeten mit den Riesenschaufeln Feuerzeuge, kletterten mit Baggern über Hindernisse, fingen Frisbees oder spielten Basketball. "Donnerwetter!", rief Gottschalk einmal. "Wie viel Sensibilität in einer Baggerschaufel ist!"
Recht hat er. Der Bagger ist mit seinem Metallarm und der Riesenschaufel eine spektakuläre Körperverlängerung. Buddeln, graben, das Gerät beherrschen und den Boden: der Traum aller kleinen und großen Sandburgenbauer. Wer ist der beste Freund der Kinderfigur Bob der Baumeister? Natürlich Baggi, sein Bagger! Dass in der Kindheit die Baggerfantasie oft ihren Ursprung hat, dass Baggerfahrer ebenso wie Lokführer oder Feuerwehrmann noch immer zu den Traumberufen kleiner Jungs gehört, ist alles andere als Zufall. Es ist schließlich die Zeit, in der Menschen ihre Selbstwirksamkeit entdecken und austesten. Sie lernen, dass sie etwas anrichten können in ihrer Umwelt, dass sie Dinge bewegen können, umstoßen, runterwerfen, anhäufen. Erst fliegt der Brei vom Tisch, dann der Ball in die Scheibe, und ständig wird irgendwo gebuddelt. Es gibt Minibagger für Zweijährige, fest installierte Greifschaufeln auf Spielplätzen und schließlich Aufsitz-Ungetüme in Überkindesgröße, die man nur mit weit fortgeschrittener Augen-Hand-Koordination bedienen kann.
Den Wert solcher Spiele hat der kanadische Psychologe Albert Bandura einst mit dem Konzept der Selbstwirksamkeit beschrieben. Kinder müssten "Aufgaben meistern und lernen, dass ihre Handlungen einen Unterschied machen", schrieb er – und warnte: "Wenn sie kein widerstandsfähiges Wirksamkeitserleben aufbauen, verlieren sie bei Schwierigkeiten schnell das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten."
Baumarktdeutschland
So baggert man sich also gewissermaßen sein Selbstbewusstsein zusammen. Womit wir dann schon fast im Baumarktdeutschland und bei seinen Slogans angekommen wären, oder? Denn: "Es gibt immer was zu tun." Und: "Respekt, wer's selber macht!"
Banduras Selbstwirksamkeitsbegriff hat mittlerweile auch in der Politik eine erstaunliche Karriere hingelegt. Umfragen zeigen, dass sich bei vielen das Gefühl verstärkt, nicht wirklich mitgestalten zu können, politisch nicht selbst wirksam zu sein. Weil man keinen echten Einfluss habe auf die Politik oder alles Wichtige eh anderswo entschieden werde.