Stefan Raab versucht das Comeback vom Comeback: Fünfzehn Minuten und viele offene Fragen

RTL spielt Fernsehpoker, der Privatsender geht „All in“. Mit einer Fünf-Tage-Woche, stets eine Viertelstunde um 20 Uhr 15, soll der teuerste Einkauf der Sendergeschichte in die Erfolgsspur zurückgebracht werden. Stefan Raab, vor einem Jahr als TV-Messias begrüßt und mittlerweile mit sehr irdischen Quoten(-misserfolgen) unterwegs, legt alle Chips auf den Tisch: „Ich bin hier jeden Abend der Woche am Start. Jeden verdammten Tag. Supergeil, oder?“

Das Saalpublikum rast

Ob ehrliche Vorfreude oder camouflierte Verzweiflung, Sender und Star gehen mit ihrer beeindruckenden Werbeaktion in ein volles, tolles Risiko. Bei der Premiere der Kurzstrecke am Montag steht der Comebacker in einem riesigen Studio, auf dessen Bühnen merkwürdigerweise ein großer PKW geparkt ist. Egal, die Hütte ist voll, das Publikum rast, obwohl es ja nur für eine Viertelstunde in die Liveshow nach Köln gekommen ist.

Zum Auftakt kündigt Raab an, was auch die nächsten Ausgaben im Programm sein soll – eine Vorausschau auf die nächste Folge der RTL-Soap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. Im folgenden Clip werden Joe Gerner dann zweifelhafte Zeilen des Lobes für Raab in den Mund gelegt, der „nicht so ne Scheiße“ rede und seit seiner Gewichtszunahme nach dem Boxkampf gegen Regina Halmich „wieder schöne Hupen“ habe.

Überhaupt hat es Raab mit Beleidigungen, gerne schmeißt er damit rum, eine davon trifft auch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der beim Basketball-EM-Finale im Publikum saß. Am Ende wird es Kai Pflaume erwischen, der den Sieg mit der von ihm gewohnten Euphorie auf Instagram zelebrierte. Wer soll über diesen saublöden Brachial-Humor heute noch lachen?

Was dagegen der Musiker Raab draufhat, wird schnell klar, als er die deutsche Nationalhymne als Beat- und Rap-Version darbietet. Danach kommt, warum auch immer, Bully Herbig in Bayern-Tracht, mit Blaskapelle und Schuhplattlern auf die Bühne. Irgendwas songartiges wird rausgehauen, aber selbst im anschließenden Kürzestinterview hat Raab seinen Gast nichts zu fragen.

Die Zuschauer als Versuchskarnickel

Die Premiere schrammt nur haarscharf am Totalausfall vorbei, da wirkt es fast schon wie ein Trost, dass Raabs fünf Kurzausgaben bereits in der nächsten Woche in einen gebündelten Mittwochs-Termin für seine „Stefan-Raab-Show“ münden. Möglicherweise zeigte er am Montag erste Bausteine des künftigen Formats. Bei seinen ehemaligen Erfolgen brauchte er viel Raum und Zeit, erst dann stellte sich der Wohlfühlfaktor bei ihm und beim Publikum ein. Der Zuschauer bei Raab XS muss akzeptieren, dass er Sender und Protagonist als Versuchskarnickel dient.

Noch ist die laufende Promo-Aktion, die hart in den Ablauf des RTL-Programms eingreift – selbst „Wer wird Millionär?“ wurde nach hinten geschoben – größer als das Programm selbst. Stefan Raab kämpft, muss kämpfen, aber der neue, „Raabinator“, der immer noch der alte zu sein scheint, bringt Fragen ins Studio mit. Will der 58-Jährige eine Nostalgiefarbe im RTL-Programm sein, leidet er an Selbstüberschätzung, hat er sich kreativ erschöpft?

Der Montag lieferte auf diese Fragen keine schlüssigen Antworten, sondern stellte eine weitere: Ist „All in“ der Auftakt zu „All out“?