Israels einzigartige Dominanz

Das Abstimmungsergebnis war einstimmig, sogar die Vereinigten Staaten unterstützten die Resolution. Darin verurteilte der UN-Sicherheitsrat Israels Bombenangriff aufs Schärfste als "klaren Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und internationale Verhaltensnormen". Wir befinden uns im Frühsommer 1981, einige Wochen zuvor hatte Israel den Irak unter Saddam Hussein bombardiert und den noch nicht fertiggestellten Atomreaktor Osirak zerstört. Zwar hatte Israel schon länger Angriffe auf Nachbarländer wie Ägypten und Syrien, auch auf weiter entfernte Ziele, durchgeführt, aber das hier war noch mal etwas anderes. Dass Israel so weit von zu Hause zuschlägt und eine der mächtigsten Armeen der Region demütigt, das hatte es zuvor nicht gegeben – und es führte zu weltweiter Empörung, wie man an der UN-Resolution erkennen kann.

Heute, im Jahr 2025, sind solche Angriffe nichts Ungewöhnliches mehr. Am 9. September haben israelische Kampfjets mehr als zehn Raketen in einen Raum in Doha gefeuert, in dem Hamas-Anführer gerade Waffenstillstandsoptionen im Gazastreifen erörtert haben. Das war nur die jüngste in einer Reihe regionaler Operationen seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag, an dem die Hamas Israel angegriffen, über 1.000 Zivilisten getötet und damit den Gazakrieg entfacht hat, in dem nach Schätzungen inzwischen rund 65.000 Menschen ums Leben gekommen sind.

Im vergangenen Sommer griff Israel das iranische Atomprogramm an und löste damit den Zwölftagekrieg aus; der endete zugunsten Israels, als Donald Trump bunkerbrechende Bomben einsetzen ließ. Wiederholt hat Israel den Jemen bombardiert und auch den Ministerpräsidenten der international nicht anerkannten Huthi-Regierung getötet, als Reaktion auf Raketenangriffe der Huthis, die Teile des Jemen kontrollieren. In seiner direkten Nachbarschaft hat Israel neue Gebiete in Syrien und dem Libanon besetzt, die Hisbollah und die Hamas zerschlagen, und Regierungsmitglieder sprechen über eine Annexion Gazas sowie des Westjordanlands.

Der Gazakrieg nähert sich seinem düsteren zweiten Jahrestag, ein Ende scheint nicht in Sicht. Israels Stellung in der Region aber hat sich durch den Krieg sichtlich gewandelt. Nach dem 7. Oktober hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verkündet, er werde "das Gesicht des Nahen Ostens verändern", und die letzten zwei Jahre scheinen das zu bestätigen. Wie ist das zu erklären? Schließlich hat Israel schon lange die fortschrittlichste Armee im Nahen Osten, aber eine absolute Vorherrschaft hatte es bisher nie angestrebt. Frühere Versuche in die Richtung, etwa die Intervention im Libanesischen Bürgerkrieg (1975 bis 1990), endeten frustrierend. Warum also jetzt diese militärische Hyperaktivität? Das Trauma des 7. Oktober und das Verlangen, dass so etwas nie wieder passieren darf, sind ein Teil der Erklärung. Aber es geht auch noch etwas Größeres vor sich, politische Verschiebungen im Inneren, in der Region und weltweit, die erklären, warum Netanjahu jetzt so agiert.

Der 7. Oktober löste einen Mentalitätswandel aus

Die derzeitige Regierung ist die kriegsfreudigste in Israels Geschichte. Netanjahu hat seine politische Karriere darauf aufgebaut, Friedensgespräche auszuschlagen und die Bedrohung durch den Iran und seine Stellvertreter als Nullsummenspiel darzustellen. Er ist Israels am längsten amtierender Ministerpräsident (insgesamt über 17 Jahre), aber vor 2023 hat Netanjahu Interventionen im restlichen Nahen Osten vermieden. Es ist durchaus möglich, ja plausibel, dass der 7. Oktober seine Sicht auf die Welt verändert hat. Viele machten ihn verantwortlich für die Sicherheitsmängel, die den Hamas-Angriff ermöglicht haben – das könnte ihn dazu getrieben haben, Israels Feinde nun mit neuer Härte zu bekämpfen.

Zudem ist sein politisches Schicksal mit dieser aggressiven Militärstrategie verknüpft. Seit Ende 2022 ist Netanjahu zum dritten Mal im Amt – an der Spitze der am weitesten rechts stehenden Regierung in Israels Geschichte. Unter seinen Koalitionspartnern sind radikale Siedlerparteien, die die Wiederbesetzung und Besiedlung des Gazastreifens, die Annexion des Westjordanlands und eine aggressive Außenpolitik fordern. Mit seinem Hardlinertum hält der Ministerpräsident also seine Koalition zusammen und damit sich selbst an der Macht. Hinzu kommt: Derzeit läuft gegen ihn ein Prozess wegen Korruptionsvorwürfen – sollte er seine Immunität als Ministerpräsident verlieren, droht ihm eine Gefängnisstrafe.

Auch die öffentliche Meinung in Israel hat sich gedreht. Lange Zeit haben die schlimmen Erinnerungen an das Libanon-Fiasko nachgewirkt, die Peace-Now-Bewegung hatte damals ein Zehntel der israelischen Bevölkerung auf die Straße gebracht. Infolgedessen war man darauf bedacht, sich nicht mehr in Konflikte in der weiteren Region verstricken zu lassen, und setzte stattdessen auf kurze Interventionen – vor allem im Westjordanland, in Gaza und der unmittelbaren Nachbarschaft. Beim syrischen Bürgerkrieg etwa hielt Israel sich weitgehend raus. Aber ähnlich wie der 11. September in den USA scheint der Schock des 7. Oktober einen Mentalitätswandel unter jüdischen Israelis ausgelöst zu haben. Umfragen direkt nach dem Überfall zeigten überwältigende Zustimmung zu einer Militäroperation im Gazastreifen. Auch als Netanjahu im Oktober 2024 einen Großangriff auf die Hisbollah startete und deren Führung und Militärmacht dezimierte, unterstützten dies laut einer Umfrage des Israel Democracy Institute (IDI) 90 Prozent der jüdischen Israelis. Und als Israel diesen Sommer den Zwölftagekrieg entfachte, waren laut IDI 82 Prozent der jüdischen Israelis dafür.