Wiens erster Hipster

Es muss ein Monsterkonzert gewesen sein. Damals, im Jahr 1967, als der US-amerikanische Rock-Provokateur Frank Zappa mit seiner Band The Mothers of Invention das Wiener Konzerthaus enterte. "Das Management verlangte zusätzlich zur Technik ein Streichquartett", das aber in Ku-Klux-Klan-Kutten auftreten sollte, erzählt Edek Bartz, der die Show veranstaltet hatte, fast 60 Jahre später. "Wir konnten das liefern, wenn auch mit Mühe." Die Musiker spielten Klassisches, doch schon nach ein paar Minuten kamen die ersten "Schleichts euch"-Rufe. Gegenstände flogen auf die Bühne, ein Tumult brach los. Als dann noch Hunderte Fans, die keine Karten mehr bekommen hatten, die Eingangstüren eindrückten und sich gewaltsam Zutritt zum Großen Konzerthaussaal verschafften, sei das Chaos perfekt gewesen: "Frank Zappa war außer sich und ließ eine Schimpfkanonade los, die sich gewaschen hatte", erzählt Bartz. "Er beflegelte das Publikum als Ignoranten, die keine Ahnung von Musik haben und eigentlich alle Arschlöcher sind."

Dies ist nur ein Juwel aus dem Anekdoten-Schatzkästlein, das Edek Bartz seit vielen Jahrzehnten mit sich herumträgt. Der 79-Jährige begleitete Wiens Kulturszene seit den 1960er-Jahren so eng wie kaum ein anderer. Er bewegte sich zwischen Peter Alexander und dem Free-Jazz-Ikonoklasten Albert Ayler, zwischen dem italienischen Designer Paolo Piva und Künstlern wie dem Pop-Art-Superstar Jean-Michel Basquiat.

Die meisten hat Edek Bartz persönlich gekannt, mit vielen hat er zusammengearbeitet und dabei eine Menge erlebt. Etliche seiner Geschichten aus der Wiener Pop- und Kunstmoderne sind nun in einem Buch verzeichnet, das Falter-Feuilletonist Klaus Nüchtern vor Kurzem veröffentlicht hat: Interessant, du, faktisch heißt das Werk, nach einer bevorzugten Floskel von Edek Bartz. Im Prinzip ist es ein einziger großer Monolog, bei dem Nüchtern gleich Goethes getreuem Gefährten Eckermann auf den Aufnahmeknopf des Rekorders drückt und Fragen stellt, um dem Projekt Fokus und einen zeithistorischen Rahmen zu verleihen.

Bartz präsentiert sich in diesem Setting als kulturelles Chamäleon: Mal arbeitet er als Plattenverkäufer, dann wiederum als DJ und Konzertveranstalter. Mal kuratiert er in einer Remise im 20. Wiener Bezirk Ausstellungen mit ungewöhnlichen Künstlern wie dem britischen Bildhauer Antony Gormley, bekannt für lebensgroße Metallskulpturen, dann tritt er selbst als Musiker in Erscheinung. Am erfolgreichsten mit dem Duo Geduldig un Thimann, das er mit seinem Schulfreund Albert Misak gegründet hatte und mit dem die beiden, die sich als säkulare Juden verstanden, chassidische Nigun-Lieder und Klezmer-Klänge zu Gehör brachten. Dies öffnete für Edek Bartz ein Portal in eine seltsame und fremde Welt: "Die jüdische Gemeinde in Wien hat sich in den 1960er-Jahren total versteckt und lebte nach der Devise ›Ruhig bleiben, nicht auffallen‹. Wir aber machten das Gegenteil, was uns einige Kritik vonseiten der jüdischen Gemeinschaft einbrachte." Trotzdem wurden Geduldig un Thimann in den orthodoxen Milieus gerne als Hochzeitsband engagiert: "Das war am Anfang ein Schockerlebnis, weil wir zuvor noch nie einen Chassiden mit Bart, Schläfenlocken und kreisrundem Schtreimel-Hut gesehen hatten. Auch Umgangsformen wie die Geschlechtertrennung waren uns fremd. Erst über das Musizieren kamen wir mit dem Ganzen in Berührung."

Man kann sagen: Edek Bartz war seit den 1960er-Jahren semper et ubique in der Wiener Szene, immer und überall – und doch nirgendwo so richtig einzuordnen. Ein emphatischer Universalist, der über genügend Chuzpe verfügte, um sich souverän auch in Milieus zu bewegen, die ihm eigentlich fremd waren. Ein stilsicherer Ästhet, der nicht nur wusste, welche Pullover zu welcher Zeit die richtigen waren, sondern auch über ein untrügliches Hipster-Gen verfügte: Die Platten, die er hörte, die Bücher, die er las, die Ausstellungen, die er besuchte, sie waren immer Indikatoren für das next level, das in der Kultur der wilden Sixties angesteuert wurde. All dies passierte natürlich im intensiven Austausch mit den intellektuellen und künstlerischen Meinungsmachern der Epoche: Peter Weibel, der Cheftheoretiker der Avantgarde, kam einmal ins Wiener Musikhaus 3/4, wo Edek Bartz ein Zeit lang als Plattenverkäufer tätig war: "Er meinte: ›Tauschen wir?‹ Sage ich: ›Was?‹ Sagt er: ›Na, ich geb dir ein Buch, und du gibst mir dafür die neue Platte von Bob Dylan.‹ Und nachdem ich geschaut habe, ob eh niemand zusieht, haben wir das gemacht. Damals hat ja kein Mensch Geld gehabt."

Ein anderes Mal drückte ihm ein Mann, den er im Zug kennengelernte hatte, die Einladung zu einer Kunstveranstaltung in die Hand: "Ich sah mir das an: Nackte Frau wird mit Öl und Mehl übergossen. Da geh ich hin, dachte ich." Der Mann war Otto Mühl, der Kopf der Wiener Aktionisten, der damals, lange vor der Verurteilung wegen Missbrauchs von Minderjährigen, dionysische Performances und sogenannte Materialaktionen veranstaltete.