Swetlana Tichanowskaja will Oppositionsarbeit mit Ehemann weiterführen

Die belarussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja will gemeinsam mit ihrem freigelassenen Mann Sergej ihre Oppositionsarbeit im Exil weiterführen. "Natürlich braucht er etwas Zeit, um nach fünf Jahren im belarussischen Gefängnis unsere Arbeit zu verstehen", sagte Tichanowskaja in Vilnius. "Aber wir müssen jetzt den Moment für konkrete Schritte nutzen, um auf die Lage der politischen Gefangenen aufmerksam zu machen."

Ihr Mann müsse sich zwar gesundheitlich noch weiter erholen, könne dann aber nach und nach seine Arbeit aufnehmen, sagte Tichanowskaja bei einem Gespräch in der litauischen Niederlassung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. "Er ist sehr effektiv im Medienbereich. Ich glaube nicht, dass er zum jetzigen Moment schon bereit für diplomatische Arbeit ist." 

Sergej Tichanowski wolle sich – wie auch schon vor seiner Festnahme – mittels seines Blogs an seine Anhänger wenden und sich auch mit Menschen aus Belarus im Exil treffen. "Wir geben ihm natürlich Zeit, alles zu begreifen, gesund zu werden und seinen Weg zu finden." Aktuell müsse sie sich wieder an ein Familienleben in Freiheit und aneinander gewöhnen, sagte Tichanowskaja: "Alles wird sich finden. Wir verbringen trotz der politischen Arbeit viel Zeit miteinander."

Tichanowski war 2020 festgenommen worden, als er bei der Präsidentenwahl gegen Machthaber Alexander Lukaschenko antreten wollte. Später wurde er unter anderem wegen der angeblichen Organisation von Massenunruhen zu 18 Jahren Haft verurteilt. Bei der Wahl trat stattdessen seine Frau Swetlana an, die viele als wahre Siegerin der weithin als gefälscht geltenden Abstimmung betrachten.

Ende Juni wurde Tichanowski überraschend gemeinsam mit 13 weiteren politischen Gefangenen freigelassen. Nach seiner Freilassung sah er – abgemagert und gezeichnet von der teils in Isolation verbrachten Haft – zum ersten Mal nach Jahren seine Ehefrau und seine beiden Kinder im Nachbarland Litauen wieder.

Hintergründe der Freilassung nicht eindeutig

Die Freilassung ihres Ehemannes sei für sie sehr unerwartet gekommen, sagte Tichanowskaja weiter. "Ich war mir sicher, dass er eigentlich unter den letzten sein wird, der freikommt." Die genauen Hintergründe seien nicht eindeutig klar. "Eine Version deutet darauf hin, dass sein physischer Zustand so schlecht war, dass das Regime fürchtete, Sergej könnte im Gefängnis sterben." Lukaschenko könnte aber auch damit versuchen, die Opposition im Ausland zu spalten, deutete Tichanowskaja an. "Aber ich denke, genau das Gegenteil wird passieren: Die demokratischen Kräfte werden durch die Freilassung gestärkt. Sergej bringt neue Energie und neue Ideen, er ist ein großartiger Kommunikator."

Tichanowski hatte bereits unmittelbar nach seiner Freilassung betont, seine Frau in der Rolle an der Spitze der Opposition unterstützen zu wollen und diese Position nicht zu beanspruchen. "Er hat ganz klar zum Ausdruck gebracht: Ich konkurriere nicht mit Swetlana." 

Seit den Massenprotesten im August 2020 und den darauffolgenden Festnahmen Tausender Demonstranten sind nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Wjasna noch immer mehr als 1.150 Menschen in Haft – unter anderem auch Tichanowskajas Mitstreiterin Maryja Kalesnikawa. Sie habe keine Informationen, wie es Kalesnikawa in der Haft gehe, sagte die Oppositionsführerin. Es gebe aktuell weder Kommunikationswege noch Möglichkeiten, etwas über ihren Zustand oder Verbleib in Erfahrung zu bringen.