Israelisches Militär greift Damaskus an

Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben die syrische Hauptstadt Damaskus angegriffen. Ziel sei der Eingang des "militärischen Hauptquartiers" gewesen. Zur Begründung verwies das Militär auf "die Aktionen" des syrischen Regimes gegen drusische Zivilisten im Süden Syriens. Israel versteht sich als Schutzmacht der religiösen Minderheit.

Laut der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurde das hoch gesicherte Verteidigungsministerium in Damaskus zweimal aus der Luft angegriffen. Syrische Sicherheitskräfte bestätigten dies gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Offiziere hätten sich im Keller des Gebäudes in Sicherheit gebracht. Nach Angaben der syrischen Nachrichtenagentur Sana wurden 13 Personen durch die Angriffe auf das Zentrum der Hauptstadt verletzt. 

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz teilte auf X einen Mitschnitt eines syrischen Fernsehsenders, in dem mutmaßlich ein Einschlag auf das Gebäude zu sehen ist. Dazu schrieb er: "Die schmerzhaften Schläge haben begonnen." Zuvor hatte Katz der Führung in Damaskus damit gedroht, die Angriffe zu verstärken, sollte die Regierung ihre Truppen nicht aus dem Süden abziehen.

Ein Augenzeuge teilte der Nachrichtenagentur Reuters mit, dass bei einem späteren Angriff ein Geschoss in der Nähe des syrischen Präsidentenpalastes in Damaskus eingeschlagen sei. Das israelische Militär bestätigte den Beschuss und behauptete, es habe sich ebenfalls um ein militärisches Ziel gehandelt. Der regierungsnahe Fernsehsender Syria TV berichtete, Kampfflugzeuge hätten den Angriff ausgeführt.

Nach Angaben der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur wurde zudem die Stadt Daraa im Südwesten des Landes angegriffen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Schwere Kämpfe zwischen sunnitischen Beduinen und Drusen

In den vergangenen Tagen war es im Süden Syriens zu schweren Kämpfen zwischen sunnitischen Beduinen und Drusen gekommen. Insgesamt sollen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle seit Sonntag mehr als 200 Menschen getötet worden sein. Syrische Regierungstruppen sollen sich dabei teils aktiv auf die Seite der Sunniten gestellt haben. Am Dienstag berichtete ein Reuters-Reporter, er habe gesehen, wie Regierungstruppen in Suweida Häuser plünderten und in Brand setzten sowie Autos und Möbel stahlen. Mindestens 21 Drusen sollen laut der Syrischen Beobachtungsstelle von Regierungssoldaten exekutiert worden sein. Die Opferzahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. 

Als Reaktion hatte das israelische Militär am Dienstag Ziele in der Region angegriffen. Israel hatte dabei auch syrische Panzer beschossen, um ein Vorrücken der syrischen Streitkräfte auf die Provinz zu verhindern. 

Die Kämpfe in Suweida dauern weiter an, und auch das israelische Militär setzt seine Angriffe auf den Süden Syriens fort. Örtliche Medien berichteten von schwerem Artillerie- und Granatenbeschuss in Suweida. Das syrische Verteidigungsministerium forderte die Einwohner der Stadt auf, in ihren Häusern zu bleiben. Die Verantwortlichen für die Ausschreitungen würden zur Rechenschaft gezogen; die Regierung sei entschlossen, die Rechte der Menschen in Suweida zu schützen. Das israelische Militär teilte mit, seine Präsenz an der syrischen Grenze zu verstärken.

Israelische Drusen verlassen besetzte Golanhöhen in Richtung Syrien

Zugleich haben sich Hunderte drusische Staatsbürger Israels an der Nordgrenze der israelisch kontrollierten Golanhöhen versammelt. Einige hätten das Gebiet in Richtung Syriens verlassen, um andere Drusen nach dem Gewaltausbruch im Nachbarland zu unterstützen, hieß es. Der Grenzübertritt gelang demnach in der Gegend der Stadt Madschdal Schams. Die israelische Armee versuche derzeit, die Personen zurückzubringen. Es handle sich bei dem Grenzübertritt um eine Straftat, die die Soldaten sowie die Öffentlichkeit gefährde. Bereits am Dienstag hatten Dutzende Drusen aus Israel die Grenze zu Syrien überquert. Das israelische Militär brachte sie Berichten zufolge zurück. 

Die Gemeinde der religiösen Minderheit in Israel hatte zuvor in einer offiziellen Erklärung alle Drusen dazu aufgerufen, sich auf einen Grenzübertritt vorbereiten, um ihren "ermordeten Brüdern in Syrien zu helfen". Die Drusen in Israel machen Druck auf die dortige Führung, in den Konflikt im Nachbarland einzugreifen.

Drusen aus Syrien suchen Schutz in israelisch besetzten Golanhöhen

Zugleich teilte die israelische Armee mit, dass "Dutzende Verdächtige" versucht hätten, aus der Umgebung von Hader in Syrien auf israelisch kontrolliertes Gebiet zu gelangen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte handelt es sich dabei wohl um syrische Drusen, die in den Golanhöhen Schutz suchen wollten. Hader liegt nur wenige Kilometer Luftlinie von Madschdal Schams entfernt. 

Die Golanhöhen sind von Israel völkerrechtswidrig annektiert – sie gehören zu Syrien. Nach dem Sturz des Assad-Regimes nahm das israelische Militär zudem die Kontrolle über eine 1974 eingerichtete Pufferzone in dem Gebiet ein. Daneben hat es wiederholt Luftangriffe auf das Land durchgeführt, mit dem sich Israel seit 1948 offiziell im Kriegszustand befindet. 

In Syrien lebten vor dem 2011 ausgebrochenen Bürgerkrieg etwa 700.000 Drusen, die meisten von ihnen in der Provinz Suweida. Die im 11. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam hervorgegangene religiöse Minderheit macht etwa drei Prozent der syrischen Bevölkerung aus. Ein Teil der drusischen Gemeinschaft in Suweida fordert Autonomie, andere Vertreter sind offen für eine Integration in die neue syrische Armee. Viele Drusen dienen jedoch auch in Israel freiwillig in der Armee. Zwischen Beduinen und Drusen in Suweida wiederum gibt es schon seit Langem Auseinandersetzungen, die immer wieder in Gewalt münden.

Bundesregierung ruft zur Mäßigung auf

Unterdessen rief die Bundesregierung die Konfliktparteien zur Mäßigung auf. "Wir rufen (...) alle Seiten dazu auf, von Schritten abzusehen, die Syrien destabilisieren können", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Es müsse Priorität haben, dass die syrische Regierung in Damaskus handlungsfähig bleibe. Direkte Kritik an Israel wegen der Angriffe im Nachbarland vermied der Sprecher hingegen. Der Beschuss stellt eine Verletzung der Souveränität Syriens und einen Bruch mit internationalem Recht dar.