Klingbeil warnt vor Kaputtsparen des Sozialstaats

Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil hat die Notwendigkeit von Sozialreformen bestätigt. Zugleich machte er im Gespräch mit Bürgern ein sozial ausgewogenes Vorgehen zur Bedingung. "Was nicht funktionieren wird, ist, dass man sagt, wir sparen jetzt 30 Milliarden beim Sozialstaat ein", sagte der Vizekanzler beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung in seinem Ministerium in Berlin. Der Sozialstaat dürfe nicht kaputt gemacht werden. Der Staat sollte weiter Menschen in Not helfen. "Das dürfen wir nicht aufgeben."

Es müsse am Ende ein Gesamtpaket sein, das alle in der Gesellschaft herausfordern werde. "Es kann nicht sein, dass man bei denen, die wenig haben, sagt, ihr gebt jetzt noch ein bisschen was ab, und bei denen, die viel haben, sagt, ihr müsst nichts machen." Er sei bereit, sich jeden vernünftigen Vorschlag anzuhören und führe diese Debatte ohne Schaum vor dem Mund. 

Union will beim Bürgergeld sparen, SPD Topverdiener höher besteuern

Vor dem Hintergrund erwarteter stark steigender Kosten in den Sozialsystemen und milliardenschwerer Haushaltslücken wird in der Koalition über Reformen diskutiert. Bundessozialministerin Bärbel Bas will Vorschläge für eine Reform bis Ende des Jahres einholen. Die SPD-Co-Chefin hat dafür gerade eine Kommission mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen eingesetzt. Sie soll ihre Arbeit im September aufnehmen und Ende des Jahres einen Abschlussbericht vorlegen. Dabei sollen Vorschläge der Sozial- und Wirtschaftsverbände und des Bundesrechnungshofs berücksichtigt werden. Die Union drängt vor allem beim Bürgergeld auf einen schärferen Kurs. Die SPD fordert höhere Steuern für Topverdiener.

"Ich rede immer positiv über den Sozialstaat, aber ich bin völlig bei Ihnen, wir müssen Dinge verändern. Und wir müssen da jetzt richtig ran", sagte Klingbeil in der Bürgerrunde. Man dürfe den Sozialstaat aber nicht in Bausch und Bogen reden. "Wenn jemand Geld bekommt vom Staat und sich auf die faule Haut legt und sagt, ich mach nichts, ist das nicht in Ordnung, ist nicht gerecht", sagte er. Es sei aber auch nicht gerecht, wenn jemand mit ganz viel Geld meine, über Anwälte und Steuerberater, "dass er sich am Fiskus vorbeischleichen kann, das geht auch nicht", fügte er hinzu.

Offen für AfD-Verbotsverfahren

Offen zeigte sich Klingbeil für ein Verfahren zum Verbot der AfD. "Ich unterstütze das", sagte der SPD-Co-Vorsitzende. Der Verfassungsschutz werte die AfD mittlerweile als rechtsextreme Partei. "Die AfD will ein ganz anderes Land." Sie wolle aussortieren, diskriminieren und spalten. Es gebe zurecht hohe Hürden für ein Parteiverbot. Jetzt müssten die Verfassungsschutzberichte aber ausgewertet werden. Da seien das Innenministerium und Justizministerium ebenso wie die Länder dran.

Klingbeil ergänzte, vor allem Juristen müssten entscheiden, ob sich ein Verbotsverfahren lohne. Bis ein Verbot umgesetzt wäre, würde aber viel Zeit vergehen. "Das kann bis zu zehn Jahre dauern." Deswegen könne man sich nicht nur juristisch mit der AfD auseinandersetzen. Nötig sei eine bessere Politik. Deswegen investiere die Bundesregierung aus Union und SPD stark in die Modernisierung des Landes.