Wenn, dann für alle

Friedrich Merz kann sich also eine Wehrpflicht für Frauen vorstellen. Das sagte er am Freitag dem französischen Sender TF1. Gut, könnte man jetzt sagen, so weit, so folgenlos. Schließlich ist man in der Koalition selbst von einer Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer weit entfernt, auch wenn das die Union gerne hätte. Sie sogar auch für Frauen einzuführen, sei sowieso so gut wie unmöglich, heißt es bereits aus der Opposition. Denn dazu müsste man das Grundgesetz ändern, erforderlich wäre eine Zweidrittelmehrheit. Und die sei nun mal "nicht absehbar".

Man könnte aber auch sagen: Endlich sagt es mal jemand. Oder mal wieder, zum richtigen Zeitpunkt. Denn politisch ist Merz' Äußerung in der festgefahrenen Wehrpflichtdebatte keineswegs folgenlos. Zum Glück. Denn sie stellt endlich grundlegend die Frage, ob man in einer veränderten Weltlage die Verteidigung Deutschlands vielleicht doch noch einmal anders denken kann. Und wer dafür verantwortlich ist. Frauen auch? Gleichermaßen wie Männer? Aber ja, und wieso auch nicht?

Ein Wehrdienst, der alle in die Verantwortung nimmt, Frauen und Männer, würde nicht nur das Personalproblem der Bundeswehr effizienter lösen, ziemlich genau doppelt so effizient. Er wäre auch feministisch. Wieso sollten Frauen von dieser Verantwortung befreit bleiben, nur weil sie in anderen Bereichen "strukturell benachteiligt" sind, wie es jetzt etwa aus der Linkspartei wieder heißt? An der strukturellen Benachteiligung von Frauen, etwa weil sie häufiger und länger Kinder betreuen, mehr in Teilzeitarbeit arbeiten oder stärker von Altersarmut betroffen sind, ändert sich genau gar nichts, wenn man Frauen nicht zum Wehrdienst heranzieht.

Wieso sollte man mich nicht verpflichten?

Im Gegenteil: Würde man weiterhin nur die Männer für den Pflichtdienst an der Waffe verantwortlich machen, bliebe es in dieser zentralen, alle deutschen Staatsbürgerinnen und -bürger betreffenden Frage bei einer uralten Rollenverteilung. Für die harten Themen, Landesverteidigung, körperliche Stärke und strategisches Kalkül, letztlich für harte Machtpolitik, wären weiterhin in erster Linie Männer zuständig. Und Frauen für den Rest.

Ich habe 2008 mein Abitur gemacht, damals gab es die Wehrpflicht noch, sie wurde erst drei Jahre später ausgesetzt. Mein jüngerer Bruder musste 2011 nicht mehr zur Musterung, meine männlichen Klassenkameraden schon. Und auch wenn ich damals froh war, gleich nach dem Abitur studieren zu können, statt vom Staat erst mal für ein Jahr zur Pflichterfüllung herangezogen zu werden: Gerecht fand ich das auch damals nicht.

Mehr als das: Ich fand es irritierend, wieso man mir durch zahlreiche öffentlich finanzierte Programme wie den Girls' Day meine gesamte Schulzeit über nahebrachte, ich könne alles werden. Bauingenieurin, Busfahrerin, Kfz-Mechanikerin. Nur verantwortlich für die Landesverteidigung, das nicht. Oder zumindest nicht so entscheidend.

"Zum Bund" zu gehen, kam für mich damals zwar eh nicht infrage, andere Zeiten. Aber gefragt werden wollte ich schon.

Gut, ich hätte natürlich freiwillig zur Bundeswehr gehen können. Das war aber schon damals nicht dasselbe.

Es macht einen Unterschied, ob sich der Staat auf einen verlässt oder ob er einen für grundsätzlich untauglich oder zumindest unnötig hält. Dabei geht es nicht nur um die Bundeswehr, sondern auch um den Ersatzdienst, sollte man den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen für sich ausschließen.

Ich hätte mir damals zum Beispiel durchaus vorstellen können, Zivildienst zu leisten. Im Krankenhaus arbeiten etwa oder im Pflegeheim. Harte, aber sinnstiftende Arbeit. Was mir zur Auswahl stand, war davon höchstens eine Light-Version: ein freiwilliges soziales Jahr. So etwas machten in meinem Bekanntenkreis vor allem junge Frauen, die das mit einem Auslandsaufenthalt verbinden konnten, in Lateinamerika zum Beispiel oder in Australien. Also verbunden mit Mehrkosten für ihre Eltern statt mit erstem eigenem Gehalt. Persönlich mögen damit großartige Erfahrungen verbunden sein. Aber der gleichmachende Effekt, mit jungen Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft für das Gemeinwohl hierzulande zu arbeiten, dürfte sich dabei in den seltensten Fällen eingestellt haben.