Was der glücklose Premier Japans verändert hat
In Japan gehört es zum guten Ton, dass ein Premierminister selbst merkt, wenn es an der Zeit ist, zu gehen. Auch Shigeru Ishiba sah das so, als er am Sonntag auf einer Pressekonferenz erklärte, er werde gehen, denn er habe nie an seinem Amt kleben wollen. Ishiba, der seit dem 1. Oktober 2024 Premier Japans gewesen ist, hat sein Land in nur elf Monaten noch ein wenig chaotischer hinterlassen, als er es vorgefunden hatte.
Seine konservative Liberaldemokratische Partei (LDP), die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs fast immer regiert hat, verlor während seiner kurzen Amtszeit zwei Wahlen, und damit je die Mehrheit im Unter- und im Oberhaus. Dort sind jetzt rechtsextreme Parteien mit ausländerfeindlichen Parolen erstarkt. Japan ist spätestens mit dem Rücktritt des Premiers in eine Phase politischer Instabilität abgedriftet. Gleichzeitig ist aber mit Ishiba ein kooperativer Stil in Japans Tagespolitik eingezogen, der für die LDP bis dahin eher untypisch war. Dieser Wandel kann eine Chance für die zukünftige Regierbarkeit des Landes sein.
Zurücktreten wollte Ishiba bis zuletzt nicht, weil er sich in der Pflicht sah, noch einen Zolldeal mit US-Präsident Donald Trump auszuhandeln. Dies ist nun geschehen: Für die meisten Waren, die von Japan in die USA exportiert werden, fallen fortan Zölle von 15 Prozent an. Zudem sollen 550 Milliarden US-Dollar aus Japan in den USA investiert werden. Nachdem Trump zunächst noch höhere Zölle angedroht hatte, ist der Deal eine Schadensbegrenzung. Mehr aber nicht. Ishibas Nachfolger wird mit den ökonomischen Folgen arbeiten müssen. Einfacher wird es dadurch kaum werden.
Die LDP ist unter älteren Wählern beliebt
In der LDP bringen sich bereits die potenziellen Nachfolger in Stellung. Zu den Favoriten gehören derzeit die Nationalistin Sanae Takaichi, der Politikveteran Toshimitsu Motegi sowie der vergleichsweise junge und moderne Shinjiro Koizumi. Takaichi, einst Ministerin für ökonomische Sicherheit, gehört jenem Flügel der LDP an, der einst vom 2022 getöteten Ex-Premier Shinzo Abe geführt wurde. Die Gruppe will niedrigere Leitzinsen und würde im Amt mit Verharmlosungen des Zweiten Weltkriegs wohl die Beziehungen zu Südkorea und China verschlechtern.
Toshimitsu Motegi dagegen hat als Generalsekretär der LDP gearbeitet und war schon Minister diverser Ressorts. Er kann insbesondere damit punkten, dass er in der Vergangenheit in der Lage gewesen ist, einigermaßen bestimmt gegenüber Donald Trump aufzutreten. Der 44-jährige Shinjiro Koizumi, derzeit Landwirtschaftsminister, hat vor allem einen bekannten Namen: Sein Vater ist Junichiro Koizumi, von 2001 bis 2006 ein populärer Premierminister.
Aber ob eine dieser Personen am Ende eines innerparteilichen Wettrennens, das nun beginnt, auch das Premiersamt bekleiden wird, ist ungewiss. Denn der LDP – die angesichts einer langen Phase des Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem unter der älteren Wählerschaft noch immer als kompetenteste Option gilt – fehlt im Parlament ja die Mehrheit.
Ishibas Transparenzoffensive wirkte plötzlich wie ein schlechter Scherz
Diese Lage hat sie sich vor allem selbst zuzuschreiben. In der langen Zeit an der Macht hat es in der LDP immer wieder Korruptionsskandale gegeben. Nach der Ermordung von Ex-Premier Shinzo Abe etwa kam heraus, dass seine LDP allzu enge Beziehungen zu einer Sekte pflegte, die ihre Mitglieder finanziell ausnahm. Die Aufarbeitung der Affäre geschah nur scheibchenweise und kostete vor einem Jahr Premier Fumio Kishida das Amt.
Dessen Nachfolger Ishiba trat nicht nur mit dem Versprechen an, durch höhere Löhne die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu senken. Er plante auch eine "asiatische Nato", die Chinas Expansion eindämmen sollte. Insbesondere hatte Ishiba aber damit geworben, "transparente Politik" zu machen, bei der sich die Menschen nicht weiter ausgeschlossen fühlen würden. Eine Politik, bei der alle wüssten, woran sie seien.
Nach einem Jahr ist auf den ersten Blick klar: Ishiba ist krachend gescheitert. Denn schon kurz nachdem ihn seine Partei – dank ihrer damals noch vorhandenen Mehrheit im Parlament – ohne Neuwahl des Unterhauses zum Premier gemacht hatte, wurde die LDP von einem neuen Skandal erschüttert: Die Partei hatte Kandidaten weiter finanziell unterstützt, die zuvor erhaltene Gelder nicht deklariert hatten. Die von Ishiba verkündete Transparenzoffensive wirkte plötzlich wie ein schlechter Scherz.