Mehr statt weniger Personal: Verschleppt Schwarz-Rot den Behördenabbau?

Es ist eine der wenigen Stellen im Koalitionsvertrag, in der sich Union und SPD sehr klar ausdrücken und auch keine Kommission für die weitere Arbeit einsetzen. Auf Seite 57 des gemeinsamen Werkes versprechen sich die Koalitionäre, Personaleinsparungen und eine Verwaltungsreform voranzutreiben. „Wir müssen und wollen mit weniger Personal gute Arbeit machen“, heißt es.

Konkret wollte Schwarz-Rot bis zum Jahr 2029 den „Personalbestand in der Ministerial- und Bundestagsverwaltung sowie in bestimmten nachgeordneten Behörden“ um mindestens acht Prozent reduzieren. Doch offenbar passiert bislang genau das Gegenteil.

52.000
neue Beamtenstellen wurden seit 2014 geschaffen.

„Der Beamtenapparat wächst ungebremst weiter, konkret um mehr als 8.000 Stellen gegenüber dem Jahr 2024“, teilte der Bund der Steuerzahler auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Dort rechnet man vor, dass seit dem Jahr 2016 rund 52.000 neue Stellen geschaffen worden seien.

Tatsächlich wird in den Haushaltsplänen von verschiedenen Ministerien deutlich, dass in 2025 mehr Personal eingeplant wird. So sind für das Bundesinnenministerium laut Bundesrechnungshof 937 zusätzliche Stellen für das kommende Jahr eingeplant. Im Arbeitsministerium sind fast 100 neue Stellen eingeplant. Auch im Gesundheitsministerium soll es 0,3 Prozent mehr Personal geben. Im Wirtschaftsministerium sollen sechs neue Stellen geschaffen werden – bei mehr als 10.000 Mitarbeitern.

Andere Häuser, wie das Verkehrsministerium oder das Bildungsministerium machen dagegen schon im kommenden Jahr Fortschritte beim Personalabbau.

Das Lieferkettengesetz wird abgeschafft, das Personal nicht

Dass die Ministerien häufig die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag missachten, stößt vor allem unter Abgeordneten der Union für Unmut. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Sepp Müller, zeigt im Gespräch mit dem Tagesspiegel das Problem anhand des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes auf.

Das war im Sommer 2021 als eines der letzten Gesetze in der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel beschlossen worden und trat Anfang 2023 in Kraft. Das Ziel: größere deutsche Unternehmen sollten sicherstellen, dass auch ihre Partner im Ausland nach Menschenrechtsstandards produzieren lassen. Die Prüfung der Einhaltung des Gesetzes sollte durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erfolgen, die dafür 101 Planstellen erhielten.

Die neue Regierung will das Lieferkettengesetz nun wieder abschaffen und es liegt dafür bereits ein Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums vor. Doch darin ist von einem Personalabbau keine Rede: „Der Wegfall der Berichtspflicht reduziert den gesetzlich erforderlichen Personaleinsatz in der vollziehenden Behörde [...] nicht“, heißt es im Entwurf.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Sepp Müller fordert einen konsequenteren Beamtenabbau.

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„An diesem Beispiel sieht man, dass nicht in allen Behörden der Geist des Koalitionsvertrages geatmet wird“, ärgert sich Müller. Er erinnert an die Vereinbarung, das Personal um acht Prozent reduzieren zu wollen. „Darauf wird diese Koalition achten. Das gilt sowohl für die Bundesministerien als auch für die Behörden“, sagte er dem Tagesspiegel.

Unterstützung erhält Müller von seinem Parteifreund Philipp Amthor. „Das ist ein Anspruch, an dem wir festhalten“, sagte der parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung dem Sender „Welt TV“.

Angesprochen auf die Kritik des Bunds der Steuerzahler erklärte er: „Wir müssen noch einiges mehr an Anstrengungen investieren, um die Einsparziele aus dem Koalitionsvertrag zu erreichen.“ Was Amthor unerwähnt ließ: Für das extra neu geschaffenen Ministerium, in dem er arbeitet, sind allein für 2025 sogar 150 neue Stellen vorgesehen.