„Das Ziel der Reformen ist der Erhalt des Sozialstaats“: Merz weist Kritik der Opposition in der Generaldebatte zurück

Seit 9 Uhr findet im Bundestag die Generalldebatte statt. Diesmal geht es um den Haushalt 2026, in der vorigen Woche war es der Etat 2025. Dabei hatte der Kanzler um Geduld und Unterstützung bei den anstehenden Reformen des Sozialsystems gebeten.

Eröffnet wurde die Generaldebatte an diesem Mittwoch erstmals von AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla. Die AfD hat als größte Oppositionsfraktion den Zugriff auf die erste Redezeit. In den ersten beiden Generaldebatten dieser Legislaturperiode ergriff aber Co-Fraktionschefin Alice Weidel zuerst das Wort.

Chrupalla wirft Regierung „Schuldenorgie“ vor

Chrupalla warf der Bundesregierung zum Auftakt Debatte die Fortsetzung einer „Schuldenorgie“ vor. Er verwies dabei auf die geplante Neuverschuldung von rund 174 Milliarden Euro im kommenden Jahr.

„Ihnen fehlt ständig Geld. Sie verprassen schon heute rücksichtslos das Kapital der zukünftigen Generation“, sagte er mit Blick auf die Schuldenaufnahme der Regierung.

AfD-Chef Tino Chrupalla eröffnete die Generaldebatte.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Chrupalla kritisiert zudem hohe Energiepreise, die Steuer- und Abgabenbelastung und Ausgaben für Klimaschutz oder Bürgergeld. „Wem fast die Hälfte dieses Geldes zugutekommt und wem nicht, thematisieren wir hier fast jede Plenarwoche und Sie gehen darüber mittlerweile einfach hinweg.“ Kosten für Migration seien in erster Linie Kosten für den Sozialstaat.

Bundeskanzler Friedrich Merz, der nach Chrupalla das Wort ergriff, nutzte die Generaldebatte vor allem dazu, die Kritik der Opposition an der Reformpolitik der Koalition zurückzuweisen. Was dabei hängengeblieben ist:

  • Merz stuft die aktuelle Lage Deutschlands und der westlichen Wertegemeinschaft als äußerst kritisch ein. „Wir stehen als Land in einer der herausforderndsten Phasen unserer neueren Geschichte“, erklärte er. Und fügte hinzu: „Doch nicht nur unser Land, sondern die gesamte westliche Wertegemeinschaft steht vor ihrer vielleicht größten Bewährungsprobe.“
  • Der Kanzler sieht die Koalition entgegen aller Kritik in einer guten Verfassung. Er betonte, dass beide Seiten im Vorfeld Kompromisse vereinbart hätten: „Und wir haben daraus einen Koalitionsvertrag entwickelt und aufgeschrieben.“ Aus den gemeinsam erarbeiteten Vorstellungen wolle man das Beste für das Land machen.
  • Er strich auch die Bedeutung einer wachstumsorientierten Wirtschaft für Deutschland hervor: „Nur in einer auf Wachstum ausgerichteten Volkswirtschaft werden die Mittel gewonnen, die wir brauchen, um Infrastruktur zu finanzieren, Solidarität zu üben und soziale Sicherheit auf Dauer zu gewährleisten.“
  • Der Kanzler widerspricht zudem der Kritik vor allem aus der Opposition, dass bei den anstehenden Sozialstaatsreformen im Sozialen übermäßig gekürzt werde. Das sei „ein Zerrbild“, so Merz. „Das Ziel der Reformen ist (...) nicht die Abschaffung des Sozialstaats, sondern die Erhaltung des Sozialstaates“, sagte Merz.
  • Der Kanzler wies auch den Vorwurf zurück, die Bundesregierung schleife die Klimapolitik. „Nichts könnte ferner von der Realität sein“, sagte er. „Wir machen Klimaschutz ohne Ideologie.“

Angesichts des Geräuschpegels im Plenum während der Rede von Kanzler Friedrich Merz (CDU) musste Bundestagspräsidentin Julia Klöckner in der Generaldebatte zunächst eine scharfe Mahnung an die Abgeordneten richten: „Es ist genug reingerufen worden. Ich finde, dass der Respekt es gebietet, dem Redner zuzuhören.“

Merz nach Zwischenrufen: „Ich halte das aus“

„Ich bedanke mich sehr“, sagte Kanzler Merz an die Bundestagspräsidentin gewandt – und fügte hinzu: „Aber ganz offen gestanden: Ich halte das aus.“ Der Kanzler warb für eine lebhafte Debattenführung im Plenum unter Inkaufnahme von Zwischenrufen: „Für die Zuschauerinnen und Zuschauer sind diese Reaktionen aufschlussreicher als mancher Redebeitrag, der von dieser Stelle aus hier geleistet wird“, sagte er.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Kein Wort zu Trump, Russland oder Israel

Die Außenpolitik sparte Merz überraschenderweise aus. Er ging nicht auf die Rede von US-Präsident Donald Trump vor der UN-Vollversammlung ein und auch nicht auf die Debatte über einen möglichen Abschuss russischer Kampfjets in den Nato-Luftraum. Erneut äußerte er sich nicht zum Krieg im Nahen Osten und die Diskussion über eine härtere Gangart gegenüber Israel.

Verzicht auf UN-Treffen für Generaldebatte

Für seine Rede in der Generaldebatte hatte Merz auf die Teilnahme an der UN-Vollversammlung in New York verzichtet. In den ersten Monaten seiner Amtszeit war er immer wieder dafür kritisiert worden, dass er sich mit Reisen nach Washington, Paris oder Kiew zwar außenpolitisch profiliert, aber die Innenpolitik vernachlässigt. Dass er der UN-Vollversammlung fernbleibt, trifft nun aber auch auf Kritik.

Grüne kritisieren Fernbleiben von Vollversammlung

„Sie sollten in New York sein“, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann in der Generaldebatte. Wenn es um Lösungen für Frieden im Nahen Osten oder die Unterstützung der Ukraine gehe, wäre es Aufgabe des Kanzlers, dort zu sein. Haßelmann sprach die Rede von US-Präsident Donald Trump an, der die internationale Kooperation diffamiert und den Klimawandel geleugnet habe. Sie stellte die Frage, ob Merz Trump nicht habe widersprechen wollen.

Die Fraktionsvorsitzende monierte auch das Vorgehen des Kanzlers bei geplanten Reformen. „Sie versprechen, und Sie kündigen an, und Sie halten am Ende nicht.“ Merz verursache außerdem auch einen Spalt in der Gesellschaft.

„Sie waren es, der von Sozialabbau geredet hat, den dieses Land dringend braucht.“ Die Grünen sagten dagegen, Sozialreformen seien dringend notwendig, und die schwarz-rote Koalition lasse sich dabei zu viel Zeit. (dpa/Tsp)