Lecornu stellt neuen Premier bis Freitag in Aussicht

Sébastien Lecornu, der zurückgetretene Premierminister Frankreichs, hält die Ernennung eines Amtsnachfolgers innerhalb der nächsten 48 Stunden für möglich. "Es gibt eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung, die eine Auflösung ablehnt", sagte Lecornu im Interview bei France 2 mit Blick auf das Parlament. Das habe er nach Sondierungsgesprächen mit Vertretern anderer Parteien am Abend Präsident Emmanuel Macron mitgeteilt. 

"Die Situation erlaubt es dem Präsidenten, innerhalb der nächsten 48 Stunden einen Premierminister zu ernennen", sagte Lecornu. Macron werde sich zur aktuellen Situation äußern, stellte Lecornu in Aussicht. Gleichzeitig sagte der scheidende Premier, es sei nicht die richtige Zeit, den Präsidenten auszuwechseln. Macron sei "Frankreichs Gesicht im Ausland. (...) Die Stabilität der Institution muss gewahrt werden", sagte Lecornu.

Zuletzt hatte sich Lecornu noch optimistisch gezeigt, dass sich das Mitte-Rechts-Lager auf ein Regierungsprogramm einigen und zugleich den Linken ausreichende Zugeständnisse machen könne. Dafür hatte Lecornu 48 Stunden Zeit. Am Mittwochabend war diese Frist verstrichen. 

Im Zentrum der Bemühungen steht eine Einigung im Haushaltsstreit, der das Land und die französische Nationalversammlung tief spaltet. Gestritten wird auch über eine von der Regierung angestrebte Anhebung des regulären Renteneintrittsalters sowie eine von den oppositionellen Sozialisten geforderte Vermögenssteuer.

Die Nationalversammlung ist in drei Blöcke aufgeteilt: das Mitte-Bündnis Macrons, einen linken und einen rechten Block. Davon hat keiner eine Mehrheit. Ohne Einigung auf einen Haushalt wären ab Anfang nächsten Jahres Notgesetze nötig, um die Regierung am Laufen zu halten.

Präsident Macron steht unter Druck

Für Frankreich ist es die größte Regierungskrise seit Jahrzehnten. Seit dem Sturz von Premierminister François Bayrou am 9. September hat das Land keine voll handlungsfähige Regierung mehr. Sein Nachfolger Lecornu hatte am Montag überraschend seinen Rücktritt erklärt, nach nur vier Wochen im Amt.

Präsident Macron akzeptierte Lecornus Rücktritt, beauftragte ihn aber damit, bis Mittwochabend "letzte Verhandlungen zu führen, um eine Grundlage für das Handeln und die Stabilität des Landes festzulegen", wie das Präsidialamt mitteilte. Lecornu stimmte dem Verhandlungsauftrag zu: "Ich werde dem Staatschef am Mittwochabend sagen, ob es möglich ist oder nicht, damit er dann alle nötigen Konsequenzen ziehen kann", schrieb er auf X. 

Lecornu schloss aus, als Premier weiterzumachen, selbst wenn Macron ihn darum bitten würde. "Meine Mission ist heute Abend beendet." Spekuliert wurde, dass Macron Lecornu nach erfolgreichen Sondierungen in der Krise ersuchen könnte, Regierungschef zu bleiben. 

Macron steht unter wachsendem Druck, Neuwahlen auszurufen oder selbst zurückzutreten. Er hat aber auch noch andere Optionen, wie etwa die Fortsetzung von Konsultationen mit den Parteien. Sollte er erneut einen Ministerpräsidenten aus seinem eigenen Lager ernennen, wäre der Widerstand vor allem der Sozialisten groß. Parteichef Olivier Faure sagte, er wolle zwar bei der akuten Bewältigung der Krise helfen, aber seine Partei wolle die nächste Regierung anführen.