Russland rüstet seine Bomben auf

So etwas wie eine Wunderwaffe gibt es nicht. Wenn man sich eine solche vorstellen würde, sähe sie wohl kaum so aus wie die bisher wohl wirkungsvollste Waffe im russischen Arsenal, die seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine eingesetzt wird: simple, unpräzise Freifallbomben aus Sowjetzeiten, entwickelt für Kriege einer vergangenen Epoche, in der Flugzeuge sie noch direkt über ihrem Ziel abwarfen. Doch ausgerechnet diese Waffe wurde nun schon zum zweiten Mal seit Kriegsbeginn bedeutend weiterentwickelt.

Der erste Schritt war vor zwei Jahren die Ausstattung mit einem sogenannten Korrektur- und Gleitmodul (auf Russisch UMPK). Es sorgt dafür, dass die zwischen 250 Kilogramm und 1,5 Tonnen schweren Bomben Dutzende Kilometer weit in ihr Ziel gleiten. Dadurch können russische Trägerflugzeuge sie in großer Distanz zur Front abwerfen und so der ukrainischen Flugabwehr entkommen. Nun hat Russland laut übereinstimmenden Berichten ukrainischer Offizieller, Medien und Militärblogger die Reichweite der Bomben erneut stark erhöht.

Am 9. Oktober warnte die ukrainische Luftwaffe in einer kurzen Mitteilung vor einer Gleitbombe, die auf die Großstadt Dnipro zufliege. Am 16. Oktober meldete Vitalij Kim, Gouverneur der südukrainischen Region Mykolajiw, den ersten Einsatz einer Gleitbombe gegen die gleichnamige Regionalhauptstadt seit Kriegsbeginn. Zwei Tage später berichtete die Staatsanwaltschaft der Region Charkiw, dass es sich bei einem in der Stadt Losowa eingeschlagenen Flugobjekt mutmaßlich um eine Gleitbombe gehandelt habe. 20. Oktober: Absturz einer Gleitbombe in der Nähe der Stadt Poltawa. Früher Freitagnachmittag: Odessas Gouverneur Oleh Kiper meldet den ersten Einsatz einer russischen Gleitbombe gegen seine Region seit Kriegsbeginn. 

Die Städte Dnipro und Losowa, die Regionen Poltawa, Mykolajiw und Odessa: Sie haben gemeinsam, dass es sich nicht um Frontgebiete handelt. Dnipro ist 100 Kilometer von der Front entfernt, Losowa ebenfalls, Poltawa – die auf die Stadt zufliegende Gleitbombe stürzte laut ukrainischen Medienberichten etwa 30 Kilometer entfernt ab – sogar 120 Kilometer von der russisch-ukrainischen Grenze. Mit einer Reichweite von 60 Kilometern, in die ein etwa 40 Kilometer weiter Sicherheitsabstand der russischen Kampfjets von der Front hineingerechnet werden muss, dürften diese Orte von Gleitbomben eigentlich nicht erreicht werden können. Der Grund dafür, dass es nun doch möglich ist: Den Berichten zufolge hat die neue Variante der Bomben einen Jetantrieb.

Laut dem ukrainischen Portal Militarnyi und dem US-Portal The War Zonesoll es sich bei einigen der in den noch experimentellen Bomben verbauten Antrieben um das chinesische Modell SW800Pro handeln, das für etwa 15.000 Euro verkauft wird, unter anderem auf der Plattform Alibaba (womit ein großer Vorteil der Waffe, ihr niedriger Preis, gewahrt wird). Das würden Fotos von abgestürzten Testmodellen der aufgerüsteten Bomben nahelegen, die bereits seit Monaten im Internet kursieren. 

Dem ukrainischen Militärgeheimdienst HUR ist das Modell bereits bekannt: Im Mai hatte der Dienst mitgeteilt, es werde im russischen Marschflugkörper Banderol verbaut. Am Montag schließlich bestätigte der stellvertretende HUR-Chef Wadym Skibizkyj die Medienberichte. Den Geheimdienstinformationen zufolge soll eine mit dem Triebwerk ausgestattete Bombe fast 200 Kilometer weit geflogen sein. 

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