Oppositionspartei berichtet von 700 Toten nach Wahlen in Tansania
Bei Protesten nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Tansania sind nach Angaben der Opposition etwa 700 Menschen getötet worden. Allein in Daressalam, wo die Regierung ihren Sitz hat, habe es etwa 350 Tote gegeben, teilte die größte Oppositionspartei Chadema mit. Sie war von der Wahl ausgeschlossen und hatte zu einem Boykott aufgerufen. Die Regierung bestritt die Anwendung von "übermäßiger Gewalt".
Die Menschen gingen in Daressalam den dritten Tag in Folge gegen die Regierung auf die Straße. Sie werfen dieser Wahlmanipulation vor.
Von Chadema hieß es in der Stadt Mwanza am Victoriasee seien mehr als 200 Menschen getötet worden, zusammen mit den Angaben aus anderen Orten ergebe sich die Gesamtzahl von "ungefähr 700 Toten". Diese Zahl deckt sich mit den Angaben, welche die Nachrichtenagentur AFP aus Sicherheits- und Diplomatenkreisen in der Hauptstadt Daressalam erfuhr. BBC berichtete unter Berufung auf eine diplomatische Quelle in Tansania, es gebe glaubwürdige Hinweise darauf, dass mindestens 500 Menschen gestorben seien.
Chadema-Sprecher John Kitoka sagte, ein Netzwerk aus Parteimitgliedern habe die Anzahl ermittelt, indem es in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen Leichen gezählt habe. Kitoka sagte: "Unsere Botschaft an die Regierung ist: Hört auf, unsere Protestierenden zu töten. Beendet die Polizei-Brutalität."
Außenminister weist Vorwürfe zurück
Das UN-Menschenrechtsbüro hatte zuvor von zehn Getöteten in der Metropole Daressalam sowie in den Städten Shinyanga und Morogoro berichtet. Es zeigte sich in einer Mitteilung "alarmiert". Die Sicherheitskräfte hätten demnach Schusswaffen und Tränengas eingesetzt, um Demonstrierende zu vertreiben. UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine unparteiische Untersuchung aller Vorwürfe über exzessive Gewaltanwendung.
Tansanias Außenminister Mahmoud Thabit Kombo wies die Berichte indes zurück. Seine Regierung habe "keine Zahlen" zu Toten. "Bislang wurde keine übermäßige Gewalt angewendet", sagte er in einem Interview mit dem Sender Al-Dschasira. "Bis jetzt gibt es keine Zahlen zu getöteten Demonstranten."
Da ausländische Journalisten weitgehend von der Berichterstattung über die Wahl ausgeschlossen waren und die Kommunikationssperre bereits den dritten Tag in Folge andauert, ist es schwierig, an verlässliche Informationen aus dem Land zu kommen.
Chadema von Wahl ausgeschlossen
Die Partei Chadema war von den Wahlen ausgeschlossen worden und hatte die Bevölkerung zum Boykott der Abstimmung aufgerufen. Ihr Parteichef Tundu Lissu war im April festgenommen worden. Ihm wird wegen des Vorwurfs des Landesverrats der Prozess gemacht, weshalb ihm die Todesstrafe droht.
Mit der Wahl am vergangenen Mittwoch hatte Präsidentin Samia Suluhu Hassan ihre Position sichern wollen. Sie bekleidet das höchste Staatsamt seit dem Tod von Ex-Präsident John Magufuli im Jahr 2021 und hatte zunächst Lob für eine Lockerung der repressiven Politik ihres Vorgängers erhalten. Menschenrechtler und Oppositionelle werfen ihrer Regierung jedoch in jüngster Zeit Entführungen von Kritikern vor.
Am Wahltag kam es bereits zu schweren Unruhen in der Millionenmetropole Daressalam. Demonstranten rissen Banner von Hassan herunter, an einer Hauptverkehrsstraße der Millionenstadt griff eine Gruppe Protestierender eine Polizeistation an und setzte sie in Brand. Von Daressalam aus breiteten sich die Proteste auf andere Landesteile aus. Die Wahlergebnisse wurden noch nicht verkündet.