Mindestens zehn Menschen laut UN bei Protesten in Tansania getötet
Das UN-Menschenrechtsbüro hat sich "alarmiert" über Berichte von Toten und Verletzten durch Sicherheitskräfte bei Protesten nach den Wahlen in Tansania gezeigt. "Glaubwürdige Berichte" deuteten darauf hin, dass mindestens zehn Menschen in der Metropole Dar es Salaam sowie in den Städten Shinyanga und Morogoro getötet worden seien, "als die Sicherheitskräfte Schusswaffen und Tränengas einsetzten, um Demonstrierende zu vertreiben", hieß es in einer UN-Pressemitteilung. Die Protestierenden kritisieren zunehmende Repressionen im Umfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in dem ostafrikanischen Land am vergangenen Mittwoch.
Augenzeugen berichteten auch von Protesten in Arusha im Nordosten und Mwanza am Victoriasee. Das Auswärtige Amt rät aktuell von nicht notwendigen Reisen nach Tansania ab.
Das UN-Menschenrechtsbüro rief die tansanischen Sicherheitskräfte dazu auf, von nicht notwendiger oder unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstrierende, einschließlich tödlicher Waffen, abzusehen. Zudem appellierte es an die Behörden, internationale Menschenrechte einzuhalten und forderte, den Zugang zum Internet wiederherzustellen.
Von der Regierung unter Präsidentin Samia Suluhu Hassan gibt es bisher keine Angaben zu den berichteten Toten und Verletzten. Das tansanische Außenministerium sprach mit Blick auf die Proteste von "isolierten Vorfällen von Verstößen".
Wahlen im Vorfeld von Verhaftungen geprägt
In Dar es Salaam waren am Mittwoch Regierungsgebäude in Brand gesetzt worden. Die Polizei verhängte eine nächtliche Ausgangssperre. Schulen blieben geschlossen. Der US-Botschaft zufolge waren Straßen im ganzen Land blockiert, auch die Zufahrten zum Flughafen von Dar es Salaam. Lokale Medien berichteten von Internetsperren und Zensur.
Hassan strebt bei den Wahlen eine zweite Amtszeit an. 2021 wurde die ehemalige Vizepräsidentin durch den Tod ihres Vorgängers John Magufuli die erste Frau an der Spitze des Landes. Trotz anfänglicher Hoffnungen auf eine Lockerung der autoritären Politik unter Magufuli werfen Menschenrechtlerinnen und Oppositionelle der Regierung unter Hassans Partei CCM undemokratische Züge vor. Die Partei regiert seit der Unabhängigkeit Tansanias 1961.
Die Wahlen in Tansania waren im Vorfeld von Verhaftungen Oppositioneller geprägt: Tundu Lissu, der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Chadema, wurde wegen Hochverrats angeklagt und sitzt im Gefängnis. Seine Partei war von der Wahl ausgeschlossen worden, ebenso der Kandidat der Oppositionspartei ACT-Wazalendo, Luhaga Mpina. In der Folge traten gegen Hassan lediglich kleinere Parteien an.
Amnesty spricht von "Verschleppungen und Folter"
Amnesty International hatte im Voraus der Wahl eine "Welle des Terrors" angeprangert. Die Menschenrechtsorganisation sprach von "Verschleppungen und Folter" sowie "außergerichtlichen Tötungen" von Oppositionellen und Aktivisten. Hassan weist Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen zurück.
Das EU-Parlament bezeichnete die Wahl am Donnerstag als "weder frei noch fair". Insgesamt traten 17 Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt an. 37,6 Millionen Stimmberechtigte waren zur Wahl registriert. Viele der Wählerinnen und Wähler sind jung. Die Wahlergebnisse sollen am Samstag verkündet werden. Die Wiederwahl von Hassan gilt als sicher.
Politisch gilt Tansania als eines der stabileren Länder in der Region Ostafrika, das im Vergleich zu Nachbarländern weniger von Konflikten betroffen ist. Auf einer Fläche, die rund zweieinhalbmal so groß wie Deutschland ist, leben über 120 verschiedene ethnische Gruppen. Die Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren robust entwickelt. Trotzdem gibt es eine große Kluft zwischen Arm und Reich. Zu den wichtigsten Einkunftsquellen zählen Gold, Sisal, Kaffee, Nüsse, Tabak und Baumwolle. Daneben spielt der Tourismus eine große Rolle.