„An der Seite der Menschen“

Mehr als 26.000 Menschen in Sudan sind kürzlich von El Fascher in das Lager Tawila geflüchtet. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Muhnnad Adam

In Tawila bricht gerade erst der Tag an – und schon stehen etliche Menschen mit Kanistern Schlange. Das Wasser in dem Flüchtlingscamp in der sudanesischen Region Darfur ist knapp, die Latrinen sind überlastet, Cholera breitet sich aus. Nach der Eroberung der Großstadt El Fascher in der westsudanesischen Region Darfur durch die Miliz „Rapid Support Forces“ (RSF) hat sich die Situation in sudanesischen Flüchtlingslagern wie diesem weiter verschlechtert. 

Reem Alabali Radovan, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung © picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Humanitäre Lage hat sich massiv verschlechtert

Sudan erlebt derzeit die größte humanitäre Krise der Welt. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind kürzlich mehr als 26.000 Menschen in dem Lager Tawila angekommen – es liegt rund 60 Kilometer von der eroberten Stadt El Fascher entfernt. „Die Neuankömmlinge berichten von gefährlichen (Flucht-)Bewegungen und schrecklichen Misshandlungen“, schrieb UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi auf der Plattform X. „Die blutige Gewalt nach Eroberung von El Fascher durch die RSF ist erschütternd“, sagte Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan. Leidtragende seien vor allem die Menschen vor Ort, „und es drohen weiter exzessive rassistische Gewalt, Hunger und Vertreibung in einer Region, die ohnehin schon seit Jahren massiv unter den Folgen des Kriegs in Sudan leidet“, so Alabali Radovan.

Wie kam es zur Krise in Sudan?

Die Ursachen liegen tief. Drei Jahrzehnte Diktatur unter Omar al-Baschir, Bürgerkriege und systematische Ausgrenzung haben das Land zerrüttet. Nach dem Sturz al-Baschirs 2019 sollte eine zivil-militärische Übergangsregierung Reformen einleiten und Wahlen vorbereiten – bis die Armee unter Abdel Fattah al-Burhan 2021 putschte. Parallel eskalierte der Machtkampf mit den Rapid Support Forces – einer Miliz, deren Wurzeln in arabischen Reitermilizen liegen, die im Darfur-Konflikt für Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen verantwortlich gemacht werden. Als 2023 die Integration der RSF in die reguläre Armee anstand, brach der Konflikt offen aus.

Warum hat sich der Konflikt zugespitzt?

Militärisch verschob die monatelange Belagerung der Stadt El Fascher das Kräfteverhältnis in Darfur. Mit dem Vormarsch der RSF drohen erneut Massenmorde, Folter, Vergewaltigungen und ethnisch motivierte Gewalt. Zugleich verschärfen regionale Einflussnahmen sowie anhaltende Waffenlieferungen die Dynamik des Krieges weiter.

Wie ist die humanitäre Lage in Sudan?

Die Menschenrechtssituation und die wirtschaftliche, soziale sowie humanitäre Lage haben sich seit Ausbruch der Kämpfe im Frühjahr 2023 in ganz Sudan massiv verschlechtert. In vielen Regionen bricht die Grundversorgung ein: Trinkwasser, Nahrungsmittel, Medikamente, Treibstoff und Strom sind knapp. Das Gesundheitssystem steht vor dem Zusammenbruch, rund 70 bis 80 Prozent der Einrichtungen sind dauerhaft geschlossen. Die Gewalt hat eine Massenflucht ausgelöst: Noch vor den jüngsten Entwicklungen meldete das UNHCR im September 2025, dass bereits zu diesem Zeitpunkt etwa zwölf Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen mussten, 7,4 Millionen innerhalb des Landes vertrieben wurden, andere in Nachbarstaaten wie Tschad, Südsudan und Ägypten flohen. 

Überfüllte Lager und mangelhafte Hygiene führen zunehmend zu Todesfällen durch Infektionskrankheiten wie Masern und Cholera. Der Hunger nimmt dramatisch zu. Rund fünf Millionen Menschen in Sudan sind laut Welternährungsprogramm akut von Hungersnot bedroht, insgesamt leben rund 25 Millionen Menschen in Ernährungsunsicherheit. Besonders hart trifft es Kinder. Etwa 24 Millionen sind betroffen, etwa 15 Millionen können nicht zur Schule gehen. Die humanitäre Lage in Sudan wird sich aufgrund der jüngsten Entwicklungen weiter verschlechtern.

Wie hilft Deutschland in Sudan humanitär?

Deutschland weitet seine Hilfe für die Menschen in Sudan weiter aus. „In der unübersichtlichen Lage, die derzeit herrscht, bleibt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an der Seite der betroffenen Menschen“, sagt Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan. So unterstützt Deutschland etwa das Kinderhilfswerk UNICEF und das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen in Darfur dabei, den Zugang zu überlebenswichtiger Versorgung mit Trinkwasser und Gesundheitsdiensten zu verbessern. 

Serap Güler, Staatsministerin im Auswärtigen Amt © picture alliance / dpa | Horst Galuschka

Serap Güler, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, betonte erst vor wenigen Tagen im Rahmen einer Reise nach Sudan und Tschad: „Deutschland ist bereit, sich politisch und humanitär weiterhin entschieden einzubringen. Nachdem wir auf der Sudan Konferenz in London im April bereits 125 Millionen Euro humanitäre Hilfe für Sudan und betroffene Nachbarstaaten bereitgestellt haben, weiten wir unsere Unterstützung nun erneut aus.“ 

Deutschland stelle seinen humanitären Partnern weitere 16 Millionen Euro bereit. „Ich werde mit den Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen und mit der engagierten sudanesischen Zivilgesellschaft besprechen, wie wir hiermit vor allem die Hungerkrise und die Folgen sexualisierter Gewalt lindern können“, so Güler weiter. Ein Ende des Kriegs in Sudan sei möglich. „Außenminister Wadephul und ich setzen uns beharrlich dafür ein, dass dieser schreckliche und zu wenig beachtete Krieg endlich ein Ende nimmt.“