Streeck kritisiert falsche Anreize bei der Versorgung alter Menschen
In der Debatte um die Gesundheitsversorgung alter Menschen hat der CDU-Gesundheitspolitiker Hendrik Streeck seinen umstrittenen Vorstoß näher ausgeführt. "Es geht nicht ums Sparen, sondern darum, Menschen etwas zu ersparen", schrieb Streeck in einem Gastbeitrag in der Rheinischen Post. Es gehe darum, wie man Menschen in ihren letzten Lebensphasen verantwortungsvoll begleite, statt sie aus falschen Anreizen überzuversorgen.
Streeck, der Bundestagsabgeordneter und Drogenbeauftragter der Bundesregierung ist, hatte in dieser Woche für Aufmerksamkeit gesorgt, als er die Frage aufwarf, ob man sehr alten Menschen noch besonders teure Medikamente verordnen sollte. Es brauche in der medizinischen Selbstverwaltung "klarere und verbindliche Leitlinien, dass bestimmte Medikamente auch nicht immer ausprobiert werden sollten – es gibt einfach Phasen im Leben, wo man bestimmte Medikamente auch nicht mehr einfach so benutzen sollte", sagte der Virologe beim Sender Welt TV. Über die Behandlung seines Vaters, der an Lungenkrebs starb, sagte Streeck: "Es wurde in den letzten Wochen, wo er gestorben ist, so viel Geld ausgegeben, und es hat nichts gebracht. Es wurden die neuesten Therapien aufgefahren, es hat nichts gebracht."
Menschen werden laut Streeck "tot operiert"
Über Streecks Äußerungen sagte Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) in der Bild: "Im Ministerium wird diese Zielrichtung nicht verfolgt." Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kritisierte seinen Parteikollegen und sagte, die Politik müsse sich aus guten Gründen aus der Frage heraushalten, wer welche Arzneimittel bekommen sollte. Auch der stellvertretende Regierungssprecher Steffen Meyer sagte, es sei klar, "dass das nicht die Haltung der Bundesregierung ist". Gerade bei sehr emotionalen Themen und im Bereich Gesundheit sei es sicherlich ratsam, "die Dinge zunächst vernünftig vorzubereiten, anstatt dazu eine öffentliche Diskussion – die wir hier jetzt beenden konnten – zu führen".
Streeck erklärt nun, Reflex sei oft, dass die Lebensverlängerung immer das höchste Ziel sei. Dabei sei nicht alles, was medizinisch möglich sei, auch menschlich vertretbar. "In Deutschland aber werden ältere, hoch fragile Menschen nicht selten 'tot operiert' – nicht aus Böswilligkeit, sondern weil das System falsche Anreize setzt." Ein minimalinvasiver Herzklappenersatz oder eine fünfte Hüftprothese würden allzu oft verordnet, ohne dass die entscheidende Frage gestellt werde: Verbessert das das Leben? Oder verlängert es nur Leiden? "Manchmal ist die größere Fürsorge, nicht alles zu tun, was man kann."
Patientenschützer fordert würdige Alternative
Streeck zufolge
steigen die Gesundheitskosten im letzten Lebensquartal exponentiell.
"Nur steigt nicht immer die Lebensqualität", schrieb der CDU-Politiker.
"Wenn die Wahrscheinlichkeit zu sterben größer ist, als die zu genesen,
dürfen weder Kosten noch theoretische Möglichkeiten entscheiden. Sondern
der Wunsch des Menschen. Seine Würde. Sein Frieden."
Von der Deutschen Stiftung Patientenschutz hieß es, Streeck fordere zu Recht, dass sterbenskranken Menschen nicht mehr alle möglichen Therapien zugemutet würden. Dann müsse die Koalition aber auch die Voraussetzungen schaffen, dass das Gesundheitssystem den schwerstkranken und sterbenden Patienten eine würdige Alternative biete, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.