Bereitschaft zum Wehrdienst gering: Klare Mehrheit steht hinter verpflichtender Musterung aller jungen Männer

Eine neue Wehrpflicht bekommt Deutschland nicht – zumindest vorerst. Union und SPD haben sich auf die Säulen des neuen Wehrdienstes geeinigt und damit ihren wochenlangen Streit beigelegt. Die Regierung legte aber fest: Alle jungen Männer – beginnend mit dem Jahrgang 2008 – sollen ab dem nächsten Jahr gemustert werden, zudem gibt es einen Fragebogen vom Bund, auch für Frauen.

Und Schwarz-Rot hat mit dieser Entscheidung die meisten Bürgerinnen und Bürger hinter sich. Laut der Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa für die „Bild am Sonntag“ halten 58 Prozent der Befragten die Einführung einer flächendeckenden Musterung für richtig, 29 Prozent lehnen sie ab. 13 Prozent machten keine Angabe.

Der Wehrdienst selbst soll nach den Plänen der Bundesregierung weiterhin freiwillig bleiben. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hofft, durch Freiwillige, die auch mit finanziellen Anreizen gelockt werden sollen, die großen Personallücken der Truppe zu schließen.

57 Prozent glauben nicht an genug Freiwillige für die Bundeswehr

Doch an einen großen Erfolg des Modells glauben viele nicht: 57 Prozent der Befragten erwarten nicht, dass sich künftig ausreichend Freiwillige melden werden, um die Personalziele der Bundeswehr zu erreichen. Nur 25 Prozent rechnen damit, dass das gelingt.

Falls die angestrebte Truppenstärke verfehlt wird, soll den Koalitionsbeschlüssen zufolge eine „Bedarfswehrpflicht“ greifen. Über diese müsste der Bundestag erneut abstimmen.

Auch die persönliche Bereitschaft zum Wehrdienst bleibt gering. Nur 31 Prozent der Deutschen würden sich nach eigenen Angaben freiwillig melden, während 55 Prozent dies ausschließen. Für die Umfrage wurden am Donnerstag und Freitag 1003 Menschen befragt.

Ausgangserwartung des Modells ist, dass pro Jahrgang maximal 300.000 junge Männer den Fragebogen verpflichtend ausfüllen müssen. Für 2026 wird mit rund 20.000 Freiwilligen gerechnet, für 2030 mit 40.000.

Grundlage der Berechnungen sind die der Nato zugesagten rund 260.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten sowie etwa 200.000 Reservisten. In der Zwischenzeit müssen zudem parallel Ausrüstung, Unterkünfte und Ausbildung neu aufgestellt werden.

Der Verteidigungsminister ist beauftragt, eine konkrete Zielplanung für die Truppenstärke vorzulegen, einschließlich Terminen und halbjährlicher Berichtspflicht.

Das steht im Gesetzentwurf

  • Alle 18-jährigen Männer müssen zur Musterung, Frauen können. Danach gibt es keinen verpflichtenden Dienst. Niemand muss also aktiv den Dienst an der Waffe verweigern.
  • Wenn es aus diesem Pool nicht genug Freiwillige gibt, kann der Bundestag über eine sogenannte Bedarfswehrpflicht entscheiden. Dann könnte der Wehrdienst zur Wehrpflicht werden. Ziel ist, dass die Zahl der aktiven Soldaten bis 2035 von derzeit 183.000 auf 255.000 bis 270.000 steigt.
  • Greift diese Bedarfswehrpflicht, kann aus dem Pool der Gemusterten ausgelost werden, wer zur Bundeswehr muss. Eine allgemeine Wehrpflicht, bei der wie früher alle zum Bund müssen, gäbe es auch dann nicht.
  • Details darüber, wie diese neue Wehrpflicht genau geregelt werden könnte, werden in einem weiteren Gesetz geregelt. Hier ist also noch Raum für Verhandlungen.
  • Wer länger als zwölf Monate dient, wird „Soldat auf Zeit“, wer sich kürzer zur Verfügung stellt, der wird „freiwillig Wehrdienstleistender“. Die Bezahlung der Dienstleistenden soll deutlich angehoben werden. „Wer freiwillig dient, erhält rund 2600 Euro brutto monatlich. Ab einer Verpflichtungszeit von einem Jahr wird ein Führerscheinzuschuss für Pkw oder Lkw gewährt“, heißt es. (Tsp/dpa/Reuters)

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte, begrüßte am Wochenende den Kompromiss der Koalition zum neuen Wehrdienstgesetz. Es sei jetzt Klarheit erreicht, es gebe einen festen Aufwuchsplan, der messbar sei, sagte Otte im Interview der Woche des Deutschlandfunks.

Das Verteidigungsministerium müsse halbjährlich einen Bericht über die Personalstärke und damit auch über den Erfolg abgeben. Denn die Grundlage sei zunächst die Freiwilligkeit und es müsse überprüft werden, ob das ausreiche.

Der CDU-Politiker sieht einen Wandel in der Gesellschaft. Die Erfolgsaussichten der Freiwilligkeit seien besser als in den vergangenen Jahren. Es werde eine andere gesellschaftspolitische Debatte geführt. Deutschland müsse seine Nato-Verpflichtungen einhalten und den Heimatschutz nach vorn bringen, forderte Otte. Der Druck auf das Verteidigungsministerium sei groß, aber es sei auch eine Gesamtaufgabe der Bundesregierung.

Es gelte, die Gesamtverteidigung in den Blick zu nehmen – und deswegen werde jetzt an jedem Küchentisch auch wieder die Debatte geführt, ob man bereit sei, Dienst für die Bundeswehr zu leisten. (lem)