Mindestens 36 Verletzte nach Protesten in Gießen

Am Tag nach den Protesten gegen die Gründung einer neuen AfD-Parteijugend im hessischen Gießen haben Veranstalter, Behörden und die Polizei Bilanz gezogen. Ein Sprecher des Landkreises Gießen sagte der ZEIT, es habe mindestens 36 verletzte Demonstrierende gegeben, die in Krankenhäusern oder extra eingerichteten Behandlungszentren versorgt werden mussten. In der Regel habe es sich um leichte Verletzungen wie Prellungen und Schürfwunden gehandelt. 

Eine Sprecherin des Universitätsklinikums Gießen sagte der ZEIT, dass dort auch ein gebrochenes Nasenbein und Kopfplatzwunden versorgt werden mussten. Insgesamt seien 15 Menschen im Klinikum ambulant behandelt worden, konnten die Klinik aber danach wieder verlassen, sagte sie. Nach Angaben des Landkreises waren 300 Sanitäterinnen und Notärzte im Einsatz, 200 weitere waren in Rufbereitschaft. "Unser Konzept wurde monatelang vorbereitet und hat sich bewährt", sagte ein Sprecher.

"Willkürliche und brutale Gewalt"

Das Aktionsbündnis Widersetzen zeigte sich in seiner Bilanz "schockiert von der Polizeigewalt". Auf einer Pressekonferenz berichteten Sprecherinnen und Sprecher des Bündnisses von "willkürlicher und brutaler Gewalt" der Polizei, darunter Faustschläge ins Gesicht, Schlagstockeinsätze und der Einsatz von Pfefferspray. Mehrere Videos im Internet belegen das.

Das Bündnis wertete die Proteste insgesamt als großen Erfolg und sprach von über 50.000 Teilnehmenden: "Mit unserem entschlossenen und freudigen Widerstand in Gießen senden wir einen Lichtstrahl der Hoffnung in die Welt." Die Veranstalter kritisierten die Stadt Gießen für ihr Vorgehen, weil sie "eine antidemokratische Zone" ausgerufen habe. 

Polizisten und Demonstrierende stehen sich auf einer Bundesstraße in Gießen gegenüber. © Lando Hass/​dpa

Örtliche Politiker werten Polizeieinsatz als Erfolg

Die Polizei meldete 25.000 Teilnehmende bei den Protesten und berichtete in ihrer Bilanz von zehn leicht verletzten Beamten. Insgesamt waren demnach Beamte in "einem mittleren bis oberen vierstelligen Bereich" aus ganz Deutschland im Einsatz. "Über den gesamten Tag hinweg verliefen die angezeigten Versammlungen zum allergrößten Teil friedlich. Dennoch kam es auch zu Blockadeaktionen und Angriffen auf Einsatzkräfte", heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Sie zog aber "ein positives Resümee", das Einsatzkonzept sei aufgegangen.

Gießens Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) sowie Oberbürgermeister Tilo Becher (SPD) zeigten sich ebenfalls zufrieden mit dem Ausgang der Proteste. Das vorab geplante Sicherheitskonzept habe einen friedlichen Protest und die Sicherheit der Demonstrierenden erst ermöglicht, sagte Wright laut einer Pressemitteilung. Die vorab beschworenen Ausschreitungen seien nicht eingetreten, sagte Oberbürgermeister Becher. Stattdessen hätten die Menschen in der Stadt die "Demokratie gefeiert". "Gießen hat nicht gebrannt, sondern geleuchtet". Man habe sich "weder von linker Gewalt noch von rechter Machtdemonstration" einschüchtern lassen. Beide dankten der Polizei für den Einsatz.  

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) wertete den Polizeieinsatz als Erfolg. "Ohne die Polizei wäre es in Gießen zu schwersten Gewalttaten und bürgerkriegsähnlichen Zuständen gekommen", sagte Poseck. "Auch wenn der überwiegende Teil der Demonstranten friedlich war, war das Gewaltpotenzial sehr erheblich", ergänzte er.

AfD-Bundestagsabgeordneter angegriffen

In ihrer Bilanz listet die Polizei mehrere Blockaden von Straßen auf, darunter eine Brücke und eine Bundesstraße. Dabei seien auch Steine, Flaschen und Pyrotechnik geworfen worden. "Die Beamtinnen und Beamten setzten sich zur Wehr, wobei sie auch Pfefferspray und Polizeistöcke einsetzen mussten." Auch ein Wasserwerfer sei zum Einsatz gekommen. 

Am Nachmittag hätten einzelne Personen und Gruppen versucht, Polizeiabsperrungen mit "teils erheblicher Gewalt" zu durchbrechen, vor allem in Richtung der Messehallen. Auch hier wurden laut Polizei Wasserwerfer eingesetzt. Insgesamt wurden bei den Protesten nach Polizeiangaben drei Menschen kurzzeitig festgenommen, die jedoch alle nach kurzer Zeit wieder aus der Gefangenensammelstelle entlassen worden seien. Es seien zudem 25 Strafanzeigen gestellt worden.

Nach Angaben der Polizei wurde in den Morgenstunden auch ein Bundestagsabgeordneter der AfD angegriffen und verletzt. Demnach wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. 

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.