Regieren bald die Technokraten?

Manchmal gibt es in der politischen Debatte Begriffe, die erzählen viel über ihre Zeit. Die "7-Tage-Inzidenz" zum Beispiel. Das "Stadtbild". Oder der "Konsultationsmechanismus".

Ah, Stop, davon haben Sie, obwohl so eingänglich, noch nie gehört? Von dieser neuen Kulturtechnik, die in Thüringen und Sachsen erdacht wurde, als Reaktion auf die Schwierigkeit des Regierens in Zeiten nicht vorhandener Koalitionsmehrheiten?

Das mag daran liegen, dass man den Überblick verlieren kann bei aller Kompliziertheit, die das Politikmachen im Angesicht einer extrem starken AfD und der gleichzeitig zwar brüchigen, aber weiterhin existenten – Obacht, nächstes Schlagwort – Brandmauer mit sich bringt. In dieser Lage, die nicht mehr nur Menschen im Osten des Landes beschäftigt, tauchen auch viele andere Begriffe auf. Zwischen "Entzauberung" und "Allparteien-Koalition gegen die AfD" (eine zuletzt oft von BSW-Politikern vorgetragene Formulierung) passt da locker noch eine "Expertenregierung".

Immer wieder hört man das: Es brauche ein Technokraten-Kabinett, eine Regierung aus Spezialisten, Beamten, Profis, eine ohne Parteien. Nach den Landtagswahlen im vergangenen Jahr in Sachsen, Thüringen und Brandenburg wurde das vermehrt diskutiert, jetzt, mit Blick auf das nächste Wahljahr (Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern), geistert der Begriff schon wieder umher (wieder sind es BSW-Politiker, die ihn besonders gern verwenden).

Also, sind Expertenregierungen eine Option? Können sie eine Antwort sein auf die missliche Mehrheitslage, um über alternative Regierungsformen nachzudenken, um die Demokratie zu "vitalisieren"? Wie so oft, wenn man solche großen Fragen stellt, lohnt es, bei Raj Kollmorgen anzurufen, dem Soziologen von der Hochschule Zittau/Görlitz. Er hatte im Herbst 2024 in der Leipziger Volkszeitung zwar Zweifel geäußert und dann gesagt: "Es ist aber trotzdem keine Schnapsidee."

Man müsse das Thema aus zwei Perspektiven betrachten, sagt Kollmorgen ein Jahr später am Telefon. Erst einmal müsse man schauen, ob eine Expertenregierung funktionieren könnte vor dem Hintergrund der repräsentativen parlamentarischen Demokratie.

Man kann sich ja mal ansehen, wie das in der Realität aussieht. Es gab in Europa schon einige Beispiele für Expertenregierungen. Österreich, Griechenland, Italien, zuletzt die Niederlande. Auch in den Ländern des ehemaligen Ostblocks sind sie ein erprobtes Instrument: Ungarn, Bulgarien, Slowakei, Tschechien, überall waren in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mehr oder weniger unparteiische Technokraten an der Macht statt Parteipolitiker.

Gemeinsam haben die genannten Beispiele zweierlei. Die Regierungen waren lediglich für eine überschaubare Zeit im Amt – dienten der Überbrückung zu vorgezogenen Neuwahlen. Und sie sind allesamt größter politischer Not oder, besser gesagt, handfesten Skandalen entsprungen, wie etwa der österreichischen Ibiza-Affäre, der griechischen Dauerfinanzkrise oder – im Falle der drei Expertenregierungen Tschechiens – wahlweise einem Spenden- oder Korruptionsskandal, woraufhin die recht komplexen Mehrheitsgebilde im Parlament zerfielen.