EU-Parlament stimmt für abgeschwächtes Lieferkettengesetz
Das Lieferkettengesetz der Europäischen Union wird abgeschwächt und verschoben. Eine große Mehrheit stimmte im EU-Parlament für einen Kompromiss, der zuvor von Unterhändlern des Parlaments und der EU-Staaten ausgehandelt worden war. Die EU-Staaten müssen der Änderung noch offiziell zustimmen. Das gilt als Formsache. Bis zum 26. Juli 2028 müssen die EU-Staaten die Richtlinie in ein nationales Gesetz umgesetzt haben – ein Jahr später als bisher vorgesehen.
Konkret sind künftig nur noch Großunternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro von dem Gesetz erfasst. 85 Prozent der ursprünglich erfassten Unternehmen sollen laut dem Beschluss künftig weniger Berichtspflichten haben. Sie sollen nicht mehr pauschal ihre gesamte Lieferkette überwachen müssen. Unternehmen sollen vor allem dort nachforschen, wo sie selbst ein hohes Risiko für Verstöße vermuten. Außerdem sollen sie sich auf Informationen verlassen dürfen, die bei ihren Lieferanten "annehmbarerweise verfügbar" sind, also keine tiefere Recherche verlangen. Diese Änderungen gehen unter anderem auf den Druck durch Wirtschaftsverbände zurück, die die Belastung für Unternehmen durch das Lieferkettengesetz für zu hoch halten.
Unternehmen müssen nicht EU-weit haften
Wer gegen das geplante Lieferkettengesetz verstößt, soll zudem nicht in der gesamten EU dafür haften, wie es zuvor vorgesehen war. Ob Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung im Einzelfall entschädigen müssen, liegt damit bei den nationalen Gerichten. Das Bußgeld für Verstöße soll dabei maximal drei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des jeweiligen Unternehmens betragen.
Bei früheren Abstimmungen über das Lieferkettengesetz im EU-Parlament war aufgrund inhaltlicher Streitpunkte nicht die übliche Mehrheit von konservativen, sozialdemokratischen und liberalen Parteien entstanden. Nun stimmten aber auch rechte und rechtsextreme Parteien dem Lieferkettengesetz zu. Ungewöhnlicherweise ist das Lieferkettengesetz der EU damit bereits gelockert worden, bevor es überhaupt in Kraft tritt.
Das Lieferkettengesetz soll Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Produktion in die Pflicht nehmen. Es war im Frühjahr 2024 beschlossen worden, greift aber noch nicht und wurde bereits einmal verschoben. Einschneidend für Debatten über die Verantwortung von Firmen für ihre Produkte entlang der ganzen Lieferkette war der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch. 2013 starben dort mehr als 1.100 Frauen, weil zu wenig Rücksicht auf Arbeitssicherheit gelegt wurde. Damals war das Entsetzen in Europa groß. In Rana Plaza und ähnlichen Fabriken in Bangladesch werden T-Shirts, Hosen und Hemden für den deutschen und europäischen Markt genäht.