Das wird eine Ackerei
Fast klingt es nach einer Start-up-Mentalität: Wer in die Landwirtschaft einsteigt und einen Hof neu gründen will, soll
dafür einen Zuschuss von bis zu 300.000 Euro bekommen können. Die Arbeit in den Betrieben soll moderner, familienfreundlicher und umweltschonender werden. So sieht
es die EU-Kommission für das EU-Budget ab dem Jahr 2028 vor. Mit ihrem Vorschlag zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), den die Kommission am Mittwoch vorlegte und der für sieben Jahre vorgibt, wie Geld verteilt wird, plant sie auch einen radikalen Umbau der EU-Agrarpolitik. Aber ist es ein Wechsel zum Guten?
Klar ist: Es muss neu gerechnet werden. Die Integration von Geflüchteten, Europas Verteidigung, die Rückzahlung von Coronaschulden: All das muss finanziert werden. Bisher machte das Agrarbudget fast ein Drittel des EU-Haushaltes aus. Jedes Jahr zahlt die EU rund 55 Milliarden Euro, um die Landwirte europaweit zu unterstützen. Rund sechs Milliarden Euro gehen allein nach Deutschland. Doch die Verteilung ist extrem umstritten. Große Betriebe sahnen regelrecht ab: Im Jahr 2024 erhielten allein die 20 Topempfänger in Deutschland jeweils zwischen 1,3 und etwa 6 Millionen Euro.
Weg von pauschalen Flächenprämien
Das soll sich nun ändern. Weniger Geld soll anders ausgezahlt werden. Es können zwar Extras für bestimmte Leistungen hinzukommen – als Grundstock, als sogenannte Basisprämie, soll ein Betrieb aber nicht mehr als 100.000 Euro erhalten. Dem Deutschen Bauernverband ging das schon vor der offiziellen Präsentation des Haushalts gegen den Strich, er fordert mehr statt weniger Geld. Aber auch diejenigen, die sich über den Erhalt von Höfen hinaus für eine Ökologisierung in der Landwirtschaft einsetzen, sind unzufrieden.
Phillip Brändle von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft etwa. Er warnt: "Für den Umwelt- und Tierschutz droht ein riesiger Rückschritt." Da die EU sparen müsse, werde das Geld "womöglich gerechter verteilt an Betriebe, die es wirklich brauchen". Doch würden die Zahlungen an "deutlich weniger Mindeststandards in der Nahrungsmittelproduktion" geknüpft. Und überzeugte Europäer wie der Grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling warnen vor einer "Renationalisierung".
Dabei sieht zunächst alles nach einem Plan für die Zukunft aus. Die rund 450 Millionen Europäer sollen mit "sicheren und hochwertigen Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen" versorgt werden. Deswegen müsse auch "die Vitalität der ländlichen Gemeinschaften" erhalten bleiben, also das Leben auf dem Dorf und rundherum. Die EU-Kommission will daher, dass die Landwirte belohnt werden, die "im Einklang mit der Natur arbeiten". So sollen auch die drängendsten Umweltprobleme bekämpft werden – zu hohe Nitratwerte im Grundwasser, die Erschöpfung der Böden, die Erderwärmung.
Außerdem will die Kommission, dass "die Attraktivität des Sektors für junge Menschen" gesteigert wird, denn nur ein Bruchteil der Landwirte sei jünger als 40 Jahre, wie es im Vorschlag der EU-Kommission heißt. Auch sollen Vertretungsdienste bezuschusst werden können, damit jemand in Urlaubs- oder Krankheitszeiten einspringen kann. Man kann sagen: Die EU-Kommission plant einen Systemwechsel, inhaltlich und vor allem strukturell.
Agrarpolitik als Herzstück europäischer Politik
Um das zu verstehen, lohnt ein kurzer Exkurs in die Geschichte. Die gemeinsame Agrarpolitik, kurz: GAP – die EU-Kommission nennt sie das "Herzstück des europäischen Projekts" – nahm ihren Anfang schon 1957. Damals, noch unter dem Eindruck der Nachkriegs-Hungerjahre, sollten die Landwirte mit Subventionen angespornt werden, so viel wie möglich zu produzieren. Masse wurde belohnt. Dann kamen, sie sind berühmt, die Butterberge und Milchseen.
Daraufhin richtete Brüssel die Subventionspolitik neu aus und erschuf zwei Töpfe: einen für die Einkommensstützung für Bauern. Die Zahlungen daraus wurden von der Produktionsmenge entkoppelt, die Landwirte werden pro Hektar bezahlt. Seither bekommt viel, wer viel Land besitzt. Der andere Topf ist für die Entwicklung des ländlichen Raums. Daraus werden zum Beispiel Dorferneuerung, Umwelt- und Klimamaßnahmen gefördert wie Blühstreifen, die Insekten Nahrung liefern, tiergerechte Stallumbauten sowie der Ökolandbau.
All das passierte zu Beginn der 2000er-Jahre. Über die Jahre wurde an den Töpfen hier und da gerührt. Zuletzt verband die EU die Einkommensunterstützung mit strengeren Umweltregeln, setzte Mindeststandards etwa für einen abwechslungsreicheren Anbau auf Äckern, also vielfältige Fruchtfolgen, oder den Erhalt von Wiesen und Weiden. Doch auch weil der Unmut der Bauern über die Ökovorgaben so groß war, kippte die EU-Kommission schon im vergangenen Jahr den Mindestanteil für Brachflächen.