Die E-Autos, die Erdoğan glücklich machen sollen

Es ist ein ganz schöner Rummel am Montagmorgen am Stand von Togg auf der Automesse IAA in München. Das türkische Unternehmen präsentiert erstmals die serienreife Version der Limousine T10F und verkündet gleichzeitig den Deutschlandstart seiner zwei Elektroautos. Die Journalisten, Influencer und Interessierten stehen in so vielen Reihen um den Stand herum, dass viele nur eingeschränkten Blick auf das Geschehen haben. 

Die Präsentation ist für die IAA ungewöhnlich: Die Reden werden teils auf Türkisch gehalten – ohne Übersetzung. Als Stargast ist Kenan İmirzalıoğlu vor Ort, ein Schauspieler, der wohl nur dem türkischen Publikum bekannt ist und mit großzügig geöffnetem Hemd für Selfies bereitsteht. Es wird ein Werbevideo gezeigt, in dem er im Togg-Wagen durch Berlin rauscht, am Schluss sagt er einen Satz auf Türkisch: "Sind Sie bereit, mehr kennenzulernen?" Es wird deutlich, auf welche Kundengruppe es Togg in Deutschland besonders abgesehen hat. 

Die Limousine T10F und den SUV T10X könne man hierzulande ab Ende September bestellen, verkündet Togg. Deutschland ist der erste Schritt auf dem Weg zur globalen Expansion, hofft das Unternehmen – und so ist es der explizite Wunsch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan

Von nicht weniger als "einem historischen Tag für unser Land" sprach Erdoğan bei der Vorstellung des Prototyps des T10X im Jahr 2019. Die Zielsetzung gab er gleich mit auf den Weg: "Wenn wir dieses Auto auf den Straßen der ganzen Welt sehen, haben wir unser Ziel erreicht." 

Togg soll die Türkei auf der Autolandkarte sichtbarer machen. Zwar montierte die türkische Autoindustrie bisher fleißig, allerdings unter fremder Flagge. Fast 1,5 Millionen Fahrzeuge werden pro Jahr in der Türkei gebaut, etwa für Mercedes, Ford, Fiat, Renault oder Chrysler. Von den weltweit 100 größten Automobilzulieferern haben über 30 einen Sitz in der Türkei. Niedrige Löhne, genügend Arbeitskräfte und die Zollfreiheit in die EU machen die Türkei für die Industrie attraktiv. 

Togg orientiert sich an Tesla, nicht an Volkswagen

Eine Art türkisches Volkswagen fordert Erdoğan schon lange. 2018 erfüllte die Industrie Erdoğans Wunsch, als sie ein Konsortium aus fünf wirtschaftlichen Schwergewichten aus Telekommunikation, Handel, Maschinenbau und Elektronik gründete: Türkiye'nin Otomobili Girişim Grubu (Togg), auf Deutsch etwa "Initiativgruppe für das Auto der Türkei". Innerhalb von nur 18 Monaten stampfte man in Gemlik, einer Hafenstadt etwa zwei Stunden von Istanbul entfernt, eine Firma samt Produktion aus dem Boden. Das gesamte Investitionsvolumen des Togg-Projekts betrage 22 Milliarden Lira, verkündete die türkische Regierung 2019. Das entsprach damals etwa 3,7 Milliarden Dollar. Die Regierung verpflichtete sich zu einer Abnahme von 30.000 Fahrzeugen jährlich. Um Togg vpr vor billigerer Konkurrenz aus China zu schützen, hat die türkische Regierung seit Juli 2024 einen Einfuhrzoll von 40 Prozent auf chinesische Fahrzeuge erhoben. 

Dabei orientiert sich Togg eher an Tesla als an Volkswagen. Wie die Kalifornier hat man unter dem Namen Trugo ein eigenes Schnellladenetz entlang der türkischen Fernstraßen aufgebaut. Die Akkus für die Autos fertigt Togg in einem Gemeinschaftsunternehmen mit der chinesischen Firma Farasis selbst. Die Batteriezellen werden noch importiert, bis 2026 soll es eine eigene Zellfertigung geben. 

Das Auto bezeichnet Togg als smart mobile device. Ein Bildschirm überspannt die komplette Fahrzeugbreite und wird durch einen zweiten Screen flankiert, auf dem die Fahrerin zum Beispiel die Temperatur im Wagen einstellt. Daneben setzt Togg auf digitale Dienstleistungen. Das Unternehmen hat eine eigene Währung ausgegeben, die Kundinnen und Kunden wie bei Payback bei allen beteiligten Unternehmen für Einnahmen und Ausgaben nutzen können. Partner sind unter anderem die nationale Fluglinie Turkish Airlines, Versicherungen und sogar Finanzämter. 

In der Türkei ist Togg bereits erfolgreich. Im ersten Halbjahr 2025 war fast jede fünfte Neuzulassung ein E-Auto, was vor allem Togg zuzurechnen ist. Die erste Produktion im Jahr 2023 war so begehrt, dass die 20.000 Autos verlost werden mussten. Auch die zweite Charge 2024 in der Größenordnung von 40.000 Stück war schnell ausverkauft. Bis 2032 will Togg die Jahresproduktion auf eine Million Fahrzeuge pro Jahr steigern. Und das trotz eines Listenpreises von umgerechnet mindestens 41.000 Euro, die für einen Neuwagen fällig sind. Zum Vergleich: Das monatliche Medianeinkommen lag 2023 bei knapp 10.000 Lira, etwa 900 Euro. Ein Preis für den deutschen Markt wurde weder im Vorfeld noch auf der IAA-Pressekonferenz kommuniziert.