"Die US-Regierung erzählt Lügen über Wind- und Solarstrom"
Mark Jacobson, Professor an der Stanford Universität, empfängt in seinem Ökohaus unweit der berühmten Hochschule südlich von San Francisco. Ein hypermoderner Cubus mit Solardach und Stromspeicher, Wärmepumpe und zwei Teslas in der Garage. Der 60-jährige Bau- und Umweltingenieur wurde 2009 weltweit bekannt, als er einen Plan vorlegte, wie sich die gesamte Menschheit mit erneuerbarer Energie versorgen könne. Als Vordenker der Demokraten erregt er intensive Debatten. Derzeit tritt er vor Gericht als Experte gegen Donald Trumps Energiepläne auf.
DIE ZEIT: Herr Jacobson, nach der US-Wahl vergangenes Jahr wurde viel spekuliert, ob die neue Regierung die grüne Energiewende stoppen könne oder nicht. Wie sieht es heute aus?
Mark Jacobson: Die Trump-Regierung versucht mit neuen Regeln und Gesetzen, den Ausbau von Sonnen- und vor allem Windenergie aufzuhalten. Über Zuschüsse und Genehmigungen setzt sie ihren Einfluss brutal ein. Im August versuchte die Regierung sogar, einen Offshore-Windpark in Rhode Island zu stoppen, der schon fast fertig war, und sogar Republikaner fragen sich, warum.
ZEIT: Und – warum?
Trumps Kampf gegen Windräder wird gespeist aus Rache.
Jacobson: Trumps Kampf gegen Windräder wird gespeist aus Rache. Ein fertiger Windpark bedeutet eben mehr sauberen Strom ohne negative Gesundheitsfolgen. Der US-Präsident unterstützt fossile Brennstoffe, obwohl gerade erst eine internationale Studie zeigte: Öl und Gas führen in den USA jährlich zu 91.000 Todesfällen, 5.000 durch die Gewinnung und 86.000 infolge des Verbrennens und der Schadstoffbelastung dadurch. Zugespitzt gesagt: Trump drängt im Grunde auf eine Energie, die Menschen tötet, Krebs und auch Frühgeburten verursacht – und das alles zulasten erneuerbarer Energien. Das geht zurück bis auf das Jahr 2015, als er vor dem obersten britischen Gericht ein Verfahren verlor, bei dem es um einen seiner Golfplätze in Schottland ging. Auch dort wollte er keinen Offshore-Windpark.
ZEIT: Glauben Sie wirklich, dass seine Energiepolitik darauf zurückgeht?
Jacobson: Mit dieser Niederlage hat es angefangen. Dieser Mann ist meiner Meinung nach ein Narzisst, und Narzissten neigen zu Eifersucht und Neid, sind nachtragend und auf sich bezogen. Sie wollen einfach ihre Macht vergrößern und in der Öffentlichkeit gut dastehen. Doch so sehr er auch Sonnen- und Windenergie beseitigen möchte: Es gibt mittlerweile elf Staaten, die mehr als die Hälfte ihrer Energie mit Wind-, Wasser- und Solarenergie gewinnen – und die meisten von ihnen sind republikanisch regiert. An der Spitze steht South Dakota, das 121 Prozent seines eigenen Bedarfs so herstellt und Überschüsse exportiert.
ZEIT: Dass sich solche Staaten jetzt lautstark gegen Trump wehren, kann man aber nicht behaupten.
Jacobson: Die Unterstützer der Republikaner dort wollen sich großteils nicht mit ihm anlegen. Sie fürchten seine Rache.
ZEIT: Wie wirkt sich das alles aufs Tempo der Energiewende in den USA aus?
Jacobson: Die Entwicklung ist nun völlig anders als unter seinem Vorgänger Joe Biden, weil Präsident Trump auf einem Pfad der Zerstörung ist: Er dereguliert fossile Energie und schränkt alles ein, was sauber und effizient ist. Trotzdem ist noch Momentum für die Erneuerbaren da, weil Steuergutschriften für Investitionen in Erneuerbare, die Trump loswerden will, bisher weiterlaufen.