Gesucht: 15 Milliarden

Irgendwo fehlt in der Politik immer Geld, aber diese Finanzlücke ist schon kurios: Am Wochenende hatte Verkehrsminister Patrick Schnieder der FAZ gesagt, dass für neue Straßenprojekte nicht genug Mittel vorhanden seien. Für die Bundesfernstraßen fehlten "im Zeitraum 2026 bis 2029 rund 15 Milliarden Euro". Deshalb könnten "baureife Projekte, die wir jahrelang geplant haben" nun nicht umgesetzt werden. Kurios ist diese Lücke, weil eigentlich durch das Sondervermögen für die Infrastruktur 500 Milliarden Euro für den Ausbau von Straßen, Schienen und Brücken zur Verfügung stehen. 

Wo also ist das Geld? Die Antwort in Kurzform: Es war nie da. 

Die Regierung hat den Etat des Verkehrsministeriums im Juni im Rahmen der regulären Haushaltsplanungen verabschiedet. Damals wurde beschlossen, dass von 2025 bis 2029 rund 166 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen bereitgestellt werden – eine Steigerung um rund 60 Prozent gegenüber den Jahren 2020 bis 2024 und mithin ein deutlicher Zuwachs.

Von diesem Geld fließen 52 Milliarden Euro in Straßenprojekte. Die Ausgaben dienen vor allem der Sanierung und dem Erhalt der bestehenden Verkehrswege und nicht in erster Linie dem Bau von neuen Bundesstraßen und Autobahnen. Damit wird eine im Koalitionsvertrag beschlossene Grundsatzentscheidung umgesetzt. In der Vereinbarung zwischen Union und SPD heißt es konkret, dass "nach Jahrzehnten des Netzausbaus" nun die "Substanzsicherung" an erster Stelle stehe.

Soweit die Fakten, auf die sich alle Beteiligten verständigen können. Wie genau es zu diesem Ergebnis kam, ist allerdings umstritten. Im Bundesfinanzministerium wird darauf verwiesen, dass der Haushalt im Kabinett vereinbart wurde und das Verkehrsministerium zugestimmt habe. Tatsächlich wurden die entscheidenden Verhandlungen von Schnieder und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) geführt – im Beisein von Bundeskanzler Friedrich Merz.  

In einem Brief an Schnieder ("Sehr geehrter Herr Kollege") weist Klingbeil darauf hin, dass sich die Regierung "gemeinsam" auf den Finanzrahmen für die Investitionen und ihre Priorisierung verständigt habe. Man kann das als Kritik daran verstehen, dass Schnieder vor ein paar Wochen einem Kompromiss zugestimmt habe, den er nun wieder aufschnüren wolle – obwohl sich die Lage nicht geändert habe.

Im Verkehrsministerium wiederum heißt es, Schnieder habe schon in den Haushaltsverhandlungen deutlich gemacht, dass er gerne auch mehr Geld für den Neubau gehabt hätte. Schließlich sei der Bedarf gegeben. Eine Aufstellung der bundeseigenen Autobahn GmbH beziffert die Finanzlücke allein bei den Autobahnen auf 5,5 Milliarden Euro. Wenn sie nicht geschlossen würde, sei eine Reihe von Bauprojekten – etwa die A94 in Südbayern oder der Ausbau des Autobahnkreuzes A3 in Oberhausen – in Gefahr. 

Wie auch immer: Die Zahl ist in der Welt – und hat eine erneute Debatte über die Verwendung der Mittel im Haushalt ausgelöst. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst – ebenfalls CDU – sagte, dass die Menschen in Deutschland die Erwartung hätten, dass mit dem Geld aus dem Sondervermögen "mehr" gebaut würde. Diese Erwartungen dürfe man nicht enttäuschen. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte, dass der Verkehrsetat "deutlich aufgestockt" werden müsse. 

Das Problem ist nur, dass es mehr Geld nicht gibt. Die Mittel aus dem Sondervermögen sind weitgehend verplant. Und auch wenn die Regierung die eine oder andere Milliarde abgezweigt hat, um Löcher im eigentlichen Haushalt zu schließen: Das Geld fließt mehrheitlich wie vorgesehen in Investitionen in die Infrastruktur – jedenfalls werden die entsprechenden Leitlinien im Grundgesetz eingehalten. An dieser Stelle ist also nicht viel zu holen. Und auch im regulären Bundeshaushalt gibt es wenig Spielräume. Beziehungsweise überhaupt keine. Allein im Etat des Jahres 2027 klafft eine Lücke von 34 Milliarden Euro. 

Woher nehmen?

Das bedeutet: Wenn mehr Geld in den Neubau fließen soll, dann muss an anderer Stelle gekürzt werden. Genau deshalb hatten sich Merz, Schnieder und Klingbeil nur auf die ursprüngliche Summe verständigt. Dem Vernehmen nach haben sich die Chefs der Koalitionsparteien bei ihrem gemeinsamen Oktoberfestbesuch am Sonntag nun aber darauf verständigt, eine Lösung für das Problem zu finden. Auch für den Haushalt gilt schließlich der nach dem ehemaligen sozialdemokratischen Verteidigungsminister benannte erste Strucksche Lehrsatz: Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist.

In den parlamentarischen Haushaltsberatungen sollen nun also die fehlenden Mittel mobilisiert werden. So könnte das Verkehrsministerium innerhalb des eigenen Etats umschichten und Gelder aus Sanierungsprojekten abziehen, um damit Neubauvorhaben zu finanzieren. Im Gespräch ist aber auch, dass andere Ministerien verzichten. Ob die sich finden lassen, werden die kommenden Wochen zeigen.