VW-Vergleich im Dieselskandal muss neu verhandelt werden
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) muss der Autohersteller Volkswagen noch einmal die Zustimmung seiner Aktionäre im Vergleich zum Dieselskandal einholen. Bei der Hauptversammlung im Jahr 2021 habe der Konzern die Anwesenden in der Tagesordnung nicht ausreichend darüber aufgeklärt, dass damit ein Verzicht auf Ansprüche gegenüber allen anderen Vorständen verbunden sei, entschied der II. Zivilsenat des BGH. Der Beschluss sei damit nichtig.
Die Aktionäre von Volkswagen müssen nach dem Urteil noch einmal über einen 270 Millionen Euro schweren Vergleich mit den Managerhaftpflichtversicherern der damaligen Manager um Vorstandschef Martin Winterkorn abstimmen. Mit diesen Directors-and-Officers-Versicherungen können Unternehmen ihre Führungskräfte vor Haftungsansprüchen schützen. Durch den Beschluss wurden allerdings nicht nur Forderungen gegen Winterkorn und Stadler abgegolten, auch Ansprüche gegen etwas mehr als 100 andere Manager waren nicht mehr möglich.
Bei Winterkorn und Stadler wurde Vermögen nicht berücksichtigt
Die Gesamtsumme belief sich auf gut 288 Millionen Euro. Winterkorn selbst zahlte 11,2 Millionen Euro, Ex-Audi-Chef Stadler 4,1 Millionen Euro. Beide müssen nun doch mit einer weitergehenden privaten Haftung für den VW-Dieselskandal rechnen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hielt es für ausreichend, bei der Berechnung nur die Gehälter – nicht aber das Vermögen – der Manager zugrunde zu legen.
Für den BGH spielte das Vermögen aber sehr wohl eine Rolle. Das OLG muss nun aufklären, ob bei den geforderten Entschädigungen Vermögensverhältnisse der beiden ausreichend berücksichtigt wurden. Sollte das Fragerecht hierzu bei der Hauptversammlung 2021 beschnitten worden sein, wäre die Zustimmung auch dazu nicht ordnungsgemäß zustande gekommen und es müsste erneut abgestimmt werden.
Zwei Aktionärsvereinigungen waren gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse gerichtlich vorgegangen, da sie darin eine Verletzung des Aktiengesetzes sahen. Nach zweimaligem Scheitern der Klage gab der BGH den Klägern in der Revision schließlich in wesentlichen Punkten recht.
Urteil fällt zehn Jahre nach Dieselskandal
Volkswagen kündigte Gespräche mit den Beteiligten an. "Absicht von Volkswagen ist es, die 2021 getroffenen Vereinbarungen erneut abzuschließen", teilte der Konzern mit. "Vorsorglich ist insbesondere mit den Versicherern vereinbart worden, dass etwaige Rückforderungsansprüche vorerst nicht geltend gemacht werden und dass die Gespräche nach Analyse des nun vorliegenden Urteils fortgesetzt werden", hieß es weiter.
Auch zehn Jahre nach dem Dieselskandal muss sich VW mit dessen Folgen auseinandersetzen. 2015 war bekannt geworden, dass in Dieselmotoren von VW eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut worden war, mit der die Grenzwerte für die Abgaswerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im Straßenverkehr eingehalten wurden.
Eine vom Aufsichtsrat in Auftrag gegebene Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Winterkorn, Stadler und andere dabei ihre Sorgfaltspflichten fahrlässig verletzt hätten. Für VW sei so ein Milliardenschaden entstanden. Der Konzern schloss im Juni 2021 Haftungsvergleiche mit den Directors-and-Officers-Versicherern und den beiden Managern ab, die die Hauptversammlung kurze Zeit später mit 99 Prozent der Stimmen billigte.