BGH prüft Ansprüche von Wirecard-Aktionären
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt sich mit der Frage, ob Wirecard-Aktionäre Geld aus der Insolvenzmasse bekommen. Es geht darum, ob ihre Ansprüche denselben Rang haben wie die von Gläubigern, denen der insolvente Zahlungsdienstleister Geld schuldet. Eine Entscheidung will der BGH am 13. November verkünden.
In dem konkreten Fall verlangt die Vermögensverwaltung Union Investment von Wirecard Schadensersatz. Sie wirft dem einstigen Dax-Konzern vor, über Jahre ein nicht existentes Geschäftsmodell vorgetäuscht und seine finanzielle Lage falsch dargestellt zu haben. Hätten Anleger die Wahrheit gewusst, hätten sie keine Aktien gekauft, argumentiert die Investmentfirma. Sie hätten deswegen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Vermögensschadens.
Union Investment hat daher Ansprüche in Höhe von knapp zehn Millionen Euro angemeldet. Doch Insolvenzverwalter Michael Jaffé bestreitet die Forderungen. Er hält die Forderungen von Gläubigern bei der Verteilung der Insolvenzmasse für vorrangig. Denn Wirecard schuldet unter anderem kreditgebenden Banken und ehemaligen Angestellten viel Geld.
Vertreter der Kläger pessimistisch
Die Anwälte von Insolvenzverwalter Jaffé äußerten sich nach der mündlichen Verhandlung an diesem Donnerstag zuversichtlich. Sie gehen davon aus, dass das Gericht ihre Position stärken wird und die Aktionäre sich bei der Verteilung hinten anstellen müssen. Die Vertreter von Union Investment gaben sich pessimistisch.
Der Vorsitzende Richter Heinrich Schoppmeyer sagte, dass beide Seiten gute Argumente hätten. Er verwies aber mehrfach auf die Insolvenzordnung, die auch eine Verteilungsordnung enthalte. Danach kommen Eigentümer erst zum Zuge, wenn alle Gläubiger befriedigt sind.
Wirecard war jahrelang an der Börse erfolgreich gewesen und bis in den Leitindex Dax aufgestiegen. Im Juni 2020 brach die Firma aus Aschheim bei München zusammen, nachdem sich 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten in Asien lagen, als nicht existent entpuppt hatten. Der langjährige Vorstandschef Markus Braun und zwei weitere Manager müssen sich seit Ende 2022 unter anderem wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrugs vor Gericht verantworten.
OLG sprach Aktionären gleichen Rang wie Gläubigern zu
Das Oberlandesgericht München (OLG) hatte vor gut einem Jahr überraschend den Wirecard-Aktionären denselben Rang wie Gläubigern zuerkannt, weil sie vom Vorstand über Jahre getäuscht worden seien. Die übrigen Gläubiger – also Banken, Anleihegläubiger oder die Arbeitsagentur – müssten das Geld, das in den nächsten Jahren zur Verteilung ansteht, demnach mit den rund 52.000 Aktionären teilen, die Schadensersatzansprüche beim Insolvenzverwalter angemeldet haben. Gegen die Entscheidung des OLG legten der Insolvenzverwalter und Gläubiger Revision ein. Das letzte Wort hat nun der BGH.
Insgesamt wurden im Insolvenzverfahren laut OLG Ansprüche über 15,4 Milliarden Euro angemeldet, davon allein 8,5 Milliarden Euro seitens der Aktionäre. Insolvenzverwalter Jaffé hat bisher rund 650 Millionen Euro aus der Verwertung der Überreste von Wirecard eingesammelt, die am Ende des Verfahrens unter den Gläubigern verteilt werden können.