Ein bisschen mehr Milei wagen? Davon träumen Vermieter
Tomek Piotrowski wünscht sich etwas, das vielen Mietern so gar nicht gefallen dürfte. "Mein Idealszenario ist, dass ein Mietvertrag auch ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann", sagt der Unternehmer im Wirtschaftspodcast Deffner & Zschäpitz der Tageszeitung Welt, nach "einer Laufzeit von zwei Jahren zum Beispiel".
Piotrowski investiert nach eigenen Angaben seit dreieinhalb Jahren in Immobilien und ist an mehreren Immobilienfirmen beteiligt. Eine davon ist die Magnolia Gruppe, die sich auf den Kauf von Mehrfamilienhäusern spezialisiert hat. Er ist Autor des Buches Dein erster Deal: Vermögensaufbau mit Immobilien für Einsteiger.
"Das Recht am Eigentum sollte durch den Mietvertrag nicht beschnitten werden", fordert Piotrowski im Welt-Podcast. Glaubt man ihm, dann würde eine Lockerung des Mietrechts den Wohnungsmarkt in Deutschland entfesseln. Er ist überzeugt, dass Vermieten wieder attraktiver werde, wenn Eigentümer unliebsame Mieterinnen einfacher wieder loswerden könnten. Dann würden mehr Wohnungen auf den Markt kommen und die Mieten könnten am Ende sogar sinken.
Milei als Vorbild
Ein Vorbild hat Piotrowski auch schon längst gefunden: Javier Milei, den argentinischen Präsidenten. "Milei hat es ja bewiesen", sagt Piotrowski.
Bereits im Dezember 2023, also nur zehn Tage nach seiner Amtsübernahme, hat Milei den Mieterschutz in Argentinien per Notstandsdekret weitgehend abgeschafft. Seitdem gilt in dem Land unter anderem keine Mindestvertragsdauer mehr, Mieterhöhungen sind häufiger möglich und Vermieter können die Miete auch in Dollar statt in Peso verlangen.
Ein bisschen mehr Milei wagen – wäre das auch etwas für den kaputten deutschen Wohnungsmarkt?
Nicht nur bei Immobilienunternehmern, auch bei liberalen Ökonomen kommen Mileis Reformen gut an. Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig und Direktor des Flossbach von Storch Research Institute, ist einer der wenigen, der die Folgen von Mileis Reformen in einer Studie untersucht hat. Über den Wohnungsmarkt in Argentinien sagt er: "Die staatlichen Vorschriften haben die Vermietung von Wohnungen unrentabel gemacht, weil die Mieten nicht ausreichend an die hohe Inflation angepasst werden konnten". Das habe zu einer Knappheit geführt, unter der vor allem junge Menschen litten – viele blieben bei ihren Eltern oder mussten überteuerte Schwarzmarktpreise zahlen.
Gewinner und Verlierer
Seit Mileis Reformen hat sich nach Schnabls Einschätzung die Lage auf dem Wohnungsmarkt verbessert. "Es sind viele vorher leerstehende Wohnungen auf den Markt gekommen", sagt Schnabl. Mehr Menschen hätten wieder Zugang zum Wohnungsmarkt erhalten. In seiner Studie verweist der Ökonom auf Schätzungen, wonach mehr als 200.000 Wohneinheiten aufgrund der Preiskontrollen dem Markt vorenthalten worden seien. Unklar ist, wie stark das Angebot durch die Reformen tatsächlich gestiegen ist. Verlässliche nationale Daten liegen nicht vor. Das Immobilienportal Idealista meldete im September 2024 allerdings rund 170 Prozent mehr Inserate als im Vorjahr.
Für Wohnungssuchende ist das eine gute Entwicklung. Die Angebotsmieten, also die Preise für neue Verträge, sind in der Folge zwar weiter gestiegen, aber zeitweise langsamer als die Inflation. Ökonomen sprechen deshalb davon, dass die Angebotsmieten real, also inflationsbereinigt, sogar gesunken sind. Die allgemeine Teuerung ist unter Milei deutlich zurückgegangen, mit aktuell rund 34 Prozent aber immer noch enorm hoch. Ganz anders ist die Entwicklung bei bestehenden Verträgen. Mieter mit Altverträgen, die zuvor von den Preiskontrollen profitierten, haben Mileis Reformen teilweise schwer getroffen. Manche hätten innerhalb kurzer Zeit eine Verdreifachung der Miete in Kauf nehmen müssen, heißt es in einem Bericht der FDP-nahen Friedrich Naumann Stiftung.
Die argentinische Mieterschutzorganisation Inquilinos Agrupados wies Anfang Juni darauf hin, dass eine Mehrheit der Mieter im Land die aktuelle Situation als "sehr belastend" empfinde und andere Ausgaben kürzen müsse, um die Mieten zu bezahlen. Eine nicht repräsentative Online-Umfrage der Organisation ergab, dass zwei Drittel der Haushalte zwischen 30 und 50 Prozent ihres Einkommens für Miete ausgeben, rund 14 Prozent, sogar 60 Prozent oder mehr. Hinzu kommen die Nebenkosten, die aufgrund der gekürzten Subventionen für Strom und Gas gestiegen sind.
"Die Menschen in Argentinien sehen die steigenden Mieten und stellen fest, dass all die guten Nachrichten nicht zu ihrer Lebensrealität passen", sagt der Ökonom Simon Gerards Iglesias, der am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zu Mileis Politik forscht. In Buenos Aires seien etwa die Angebotsmieten, um die Inflation bereinigt, zwischen 2023 und 2025 zwar um 30 Prozent gefallen. Dem stünde jedoch ein 45-prozentiger realer Anstieg der Bestandsmieten gegenüber. Für die 20 Prozent der Haushalte, die in der Stadt zur Miete lebten, sei das ein Problem.