"Sie werden sich nicht zwischen den USA und China ausspielen lassen"
Für den Exportmarkt Asien sind die Zölle von US-Präsident Trump ein Problem. Wie sie darauf reagieren und sie sogar als Chance nutzen können, erklärt der Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank, Albert Park.
Herr Park, Sie sind gerade in Washington, D. C., wo sich Delegationen aus aller Herren Länder auf die Füße treten, um mit der US-Regierung über Zölle zu verhandeln.
Albert Park: Das stimmt, und ich bekomme hin und wieder zugesteckt, wie dieses oder jenes Treffen gelaufen ist. Wirklich berichten kann man aus diesen Gesprächen aber noch nicht. Bevor es losgeht, unterzeichnen sämtliche Teilnehmer jedes Mal ein Geheimhaltungsabkommen.
Und mittendrin veröffentlichen Sie als Chefökonom der Asiatischen Entwicklungsbank zuversichtliche Prognosen: Demnach werde die Wirtschaft in Asien inklusiv China in diesem Jahr um beachtliche 4,9 Prozent wachsen. Kann man solche Vorhersagen im Augenblick denn überhaupt treffen?
Park: Unsicherheit ist gerade das Hauptthema. Sie macht unsere Prognosen schwieriger, und vor allem macht sie es für die Regierungen und Privatfirmen schwieriger, für die Zukunft zu planen. Das drückt auf die Investitionen in der asiatischen Region, denn Investitionen brauchen Sicherheit.
Neben der Unsicherheit könnten die von den USA angedrohten Zölle die asiatischen Länder bald auch ganz direkt belasten, etwa Vietnam mit 46 Prozent, Thailand mit 37 Prozent und natürlich China mit 145 Prozent. Sind Ihre Prognosen da nicht etwas zu optimistisch?
Park: Diese ursprüngliche Wachstumsprognose – 4,9 Prozent im laufenden Jahr und 4,7 Prozent im kommenden Jahr – stammte noch von Anfang April, da hatten die USA ihre Zölle noch nicht angekündigt. Aber im Augenblick sind diese Zölle ja wieder ausgesetzt und es wird verhandelt, da kann man noch nichts weiter sagen. Jetzt gelten erst mal weiter die größeren Trends: Ein bisschen Verlangsamung wird kommen, weil China nicht mehr so kräftig wächst, dafür wird es im Rest der Region eher aufwärtsgehen. Das Zentrum der Wachstumsdynamik verschiebt sich gerade von China nach Indien, Vietnam, in die Philippinen und andere südostasiatische Länder. Zölle in anderen Weltregionen können das nicht alles zunichtemachen, denn das asiatische Wachstum speist sich in jüngster Zeit aus dem Konsum vor Ort.
Exporte sind aber doch nach wie vor sehr wichtig für viele Länder der Region, in der ja zum Beispiel zwei Drittel sämtlicher Elektronikartikel hergestellt werden.
Park: Das stimmt, und wir haben das inzwischen mal durchgerechnet: Wenn die Zölle wie von den USA angekündigt wirklich in Kraft treten würden, dann würde sich das Wachstum in China 2026 um 0,9 Prozentpunkte verlangsamen und im Rest der Schwellenländer Asiens um 0,8 Prozentpunkte.
Das klingt nicht allzu tragisch?
Park: Voraussichtlich werden jetzt ja Deals geschlossen, die günstiger sind als die ersten Drohungen. Es ist aber noch nicht vorherzusagen. Die Verhandlungen sollen ja binnen drei Monaten abgeschlossen werden, und für so viele Verhandlungen mit so vielen Ländern ist das – nun, kein normaler Zeitrahmen für so etwas. Eine Komplikation ist, dass die USA von unseren Mitgliedsländern fordern könnten, ihrerseits Strafzölle für Einfuhren aus China zu erheben. Wenn es dazu kommt, hat China bereits angekündigt, dass es dann ebenfalls im Gegenzug Strafzölle gegen diese Länder erheben wird. Ich glaube, dass die asiatischen Länder sich dagegen verwahren werden, aber wenn es dazu kommt, ist das ein zusätzlicher Kostenfaktor.
Aber die alte Taktik der vergangenen Jahre, von der so viele asiatische Länder profitiert haben – Produktion aus China heraus verlagern und von Vietnam, Malaysia oder Thailand aus in die USA liefern –, die funktioniert in der neuen Welt nicht mehr.
Park: Das kommt darauf an, welche Zölle am Ende wirklich vereinbart werden. Wenn am Ende doch nur herauskommt, dass Ausfuhren beispielsweise aus Vietnam in die USA mit zehn Prozent belegt werden, wird Vietnam von dem Handelskrieg wieder genauso profitieren wie in der ersten Trump-Amtszeit. Die Länder in der Region, die sich am wettbewerbsfähigsten aufstellen, gewinnen dann. Sie profitieren von der Umlenkung der Exporte, die früher aus China heraus geschah, in ihre Länder, und sie profitieren von China-plus-eins-Strategien internationaler Hersteller ...
… also von der Strategie einiger Unternehmen, nicht nur in China zu produzieren, sondern auch an anderen Standorten in Asien. Es hat sich aber auch gezeigt, dass dieses Verlagern je nach Branche gar nicht so einfach ist.
Park: Branchen, in denen neue Investitionen viel kosten, aber einen langen Zeithorizont brauchen, bis sie sich rentieren, werden in dieser unsicheren Lage erst mal zögern, das ist richtig. Einige Unternehmen werden sich sogar denken: Wir warten erst mal ein paar Jahre ab, bis die Amtszeit von Donald Trump vorbei ist, und schauen uns an, wer der nächste Präsident wird.
In der Zwischenzeit werden sie einfach in den sauren Apfel beißen und zu erhöhten Preisen in die USA exportieren?
Park: Ach, es ist doch jetzt schon zu beobachten, dass die US-Regierung alle möglichen Ausnahmen einführt, etwa beim Import von Mobiltelefonen oder im Handel mit Automobil-Vorprodukten, um die Belastung für Importeure und Konsumenten in den USA niedrig zu halten. Ich habe Hoffnung, dass sich dieser Prozess weiter fortsetzt.