Trump macht der Industrie im Ländle zu schaffen : „Wir erleben einen regelrechten Strukturbruch“

Die Produktivitätspeitsche hat Baden-Württemberg an die Spitze gebracht. Um steigende Gehälter (bei kürzerer Arbeitszeit) bezahlen zu können, investierten die Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten und trieben Innovationen voran.

Nach Angaben der Arbeitgeber liegt das durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen in der Metall- und Elektroindustrie bei rund 76.000 Euro. Damit gehören die Schwaben und Badener zu den bestbezahlten Industriearbeitern der Welt.

Trump hat unserer Industrie eine richtige Breitseite gegeben.

Barbara Resch, IG-Metall-Chefin von Baden-Württemberg

„Hohe Produktivität und hohe Einkommen sind zwei Seiten einer Medaille“, konstatiert die IG Metall. Die Unternehmen aus dem Fahrzeug- und Maschinenbau können hohe Löhne zahlen, weil ihre Produkte auf den Weltmärkten hohe Preise erzielen. Bis 2020 Corona den Handel stoppte, 2022 der russische Angriff auf die Ukraine die Energiepreise explodieren ließ und schließlich 2025 Donald Trump die Weltwirtschaft erschüttert.

Barbara Resch ist seit 2024 Bezirksleiterin der IG Metall in Baden-Württemberg.

© Julian Rettig/IG Metall Baden-Württemberg

„Wir erleben keinen Strukturwandel, sondern einen regelrechten Strukturbruch“, beschreibt Barbara Resch die aktuelle Lage im Ländle. „Vor Trump und den Zöllen waren wir ganz guter Dinge, es gab wieder mehr Zuversicht“, berichtet die Chefin der baden-württembergischen IG Metall im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Doch dann kam Trump und hat unserer Industrie eine richtige Breitseite gegeben.“

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Mit einem Industrieanteil von 30 Prozent ist Baden-Württemberg das Kernland des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland. Die hohen Gehälter erklären sich auch mit der Qualifikation: 86 Prozent der knapp eine Million Mitarbeiter im Fahrzeug- und Maschinenbau, der Elektro-, Umwelt- und Medizintechnik sind Facharbeiter oder Ingenieure.

Daimler und Porsche, Bosch, ZF und Trumpf stehen für unternehmerischen Erfolg in der Welt. Doch zu Hause fühlen sich viele Unternehmen zunehmend unwohl. „Überall in der Autoindustrie gibt es Abbauprogramme. Die Zulieferer trifft es am heftigsten“, sagt Resch.

Gewerkschaft und Betriebsräte seien permanent konfrontiert mit Verlagerungen, dem Abbau von Arbeitsplätzen und zunehmend auch mit Insolvenzen. „Unser Geschäftsmodell, in Europa mit einer hohen Produktivität die Autos für die Welt zu bauen, ist extrem unter Druck geraten“, meint die Gewerkschafterin, die seit Februar 2024 den mächtigsten Landesverband der IG Metall mit 410.000 Mitgliedern leitet.

Resch, 1975 in Oberbayern geboren, ausgebildete Kommunikationselektronikern und studierte Managementexpertin, ist die einzige Frau an der Spitze einer der sieben Bezirke, auf die sich die bundesweit 2,1 Millionen IG-Metall-Mitglieder verteilen.

In normalen Zeiten schließen die Baden-Württemberger die Mustertarifverträge für die übrigen Bezirke und damit das ganze Land ab. Im Herbst 2024 übernahmen Bayern und Norddeutsche diese Pilotfunktion, da die tarifpolitische Ausgangslage aufgrund der Industriekrise im Ländle zu schlecht war. „Mein erstes Jahr an der Spitze der baden-württembergischen IG Metall war kein leichtes Jahr“, blickt Resch zurück.

Beim nächsten Mal, das ist im Herbst 2026, möchte sie federführend verhandeln, zumal Resch nach drei Rezessionsjahren mit einem Ende der Krise rechnet. „Wenn man sich die Patentanmeldungen anguckt, dann sind wir immer noch gut. Wir reden uns oft schlechter, als wir sind.“

Als Beleg dafür können zumindest teilweise die Ergebnisse einer aktuellen Betriebsräteumfrage dienen. 49 Prozent schätzen die Aussichten für ihren Betrieb in den nächsten Monaten als gut ein; vor einem Jahr waren das nur 39 Prozent. Die Stimmung hellt sich also auf, obgleich fast ein Drittel über den Abbau von Arbeitsplätzen berichtet.

60
Prozent der Firmen nutzen kaum Künstliche Intelligenz (KI).

Mit Blick auf die weitere Zukunft sind indes Sorgen angebracht. Zwei Drittel der Betriebsräte berichten von unzureichenden Investitionen; in 60 Prozent der Firmen wird KI kaum oder gar nicht genutzt und 46 Prozent der Betriebe „fehlt eine überzeugende Strategie für eine erfolgreiche Bewältigung der Transformation“, wie es in der Umfrage heißt.

„Man müsste jetzt in den Betrieben die Beschäftigten qualifizieren und für den Einsatz mit KI befähigen, aber das geschieht kaum“, kritisiert Resch. „Viele Unternehmen investieren – aber nicht bei uns. Es gibt wieder einen Zug nach Osteuropa. Und wegen Trump werden Investitionen in den USA erwogen.“ Fast die Hälfte der Betriebsräte berichteten von einem hohen Verlagerungsrisiko.

„Es wird sehr schwer für unsere Industrie, nach vorne zu kommen, wenn die Bedingungen sich nicht schnell verbessern“, meint die Metallerin, die unter anderem in den Aufsichtsräten von Mercedes und Daimler Truck sitzt, mit Blick auf den Vorsprung der Chinesen in der Elektromobilität. „Manchmal steht der deutschen Ingenieurskunst die Neigung zum Perfektionismus im Wege. Die Chinesen sind viel schneller.“

Manchmal steht der deutschen Ingenieurskunst die Neigung zum Perfektionismus im Wege. Die Chinesen sind viel schneller.

Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall in Baden-Württemberg

Kürzlich habe sie sich „total gefreut, als Mercedes die Level-IV-Genehmigung bekommen hat für das autonome Fahren“. Bei diesem Level darf das Auto unter bestimmten Bedingungen komplett autonom fahren.

Staatliche Förderung binden wir an Kriterien wie Standortsicherung.

Koalitionsvertrag von Union und SPD

Alles in allem jedoch sei beim Thema E-Auto „viel verstolpert“ worden, etwa bei der Einführung und abrupten Einstellung der Kaufprämien. „Die Leute wissen nicht, was für ein Auto sie kaufen sollen“, beobachtet Resch. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht diverse Kaufanreize vor, auf die potenzielle Käufer warten.

Die Absicht der EU-Kommission, die Autohersteller nicht wie ursprünglich geplant wegen Verstößen gegen die CO₂-Grenzwerte zu bestrafen, findet die Gewerkschafterin richtig. An dem Ziel, ab 2035 keine Verbrenner mehr zuzulassen, sollte die EU indes festhalten.

Aufgrund der UA-amerikanischen Attacken auf den Welthandel gebe es derzeit eine Diskussion über die Notwendigkeit autonomer Märkte und Wertschöpfungsbeziehungen auch in der EU. In dem Zusammenhang plädiert Resch für Local-Content-Klauseln: „Wer in der EU gefördert wird, der sollte auch einen Großteil der Wertschöpfung in der EU erbringen.“

Zu dem Thema heißt es im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung und im Zusammenhang mit Förderprogrammen zur Dekarbonisierung der Industrie: „Diese staatliche Förderung binden wir an Kriterien wie die Standortsicherung.“ Industrielle KI wollen Union und SPD „durch eine innovationsfreundliche Regulierung stärken“.

Der Autoindustrie widmen die Koalitionäre ein eigenes Kapitel. IG-Metall-Bezirkschefin Resch begrüßt unter anderem die angekündigte Fortsetzung der Förderung von gut zwei Dutzend regionalen Transformations-Netzwerken. „Das ganze Thema Transformation beginnt erst“, glaubt die Metallerin. „Auch mithilfe der Netzwerke können wir die Beschäftigten mitnehmen im Wandel.“