Steuerschätzung fällt bis 2029 deutlich niedriger aus
Die neue schwarz-rote Bundesregierung muss bei der Umsetzung ihres Koalitionsvertrags bis 2029 mit deutlich weniger Steuereinnahmen rechnen als noch im Herbst angenommen. Die Steuerschätzer sagen nach Angaben des Finanzministeriums voraus, dass in dieser Zeit 33,3 Milliarden weniger in die Kassen des Bundes fließen, als man noch im Oktober dachte.
"Die Ergebnisse zeigen: Wir müssen durch höheres Wirtschaftswachstum die Einnahmen stärken", sagte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). "Nur so gewinnen wir neue finanzielle Spielräume. Wir stoßen deshalb jetzt die größte Modernisierung unseres Landes seit Jahrzehnten an." Insgesamt sei das Ergebnis der Steuerschätzer aber weitgehend so, wie es während der Koalitionsverhandlungen schon erwartet wurde.
Auch der Gesamtstaat – also Bund, Länder und Kommunen – muss sich auf Einbußen einstellen. Bis 2029 rechnen die Schätzer mit rund 81,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen als noch im Oktober angenommen. Grund für die pessimistische Prognose ist die schwache Konjunktur: Das Bruttoinlandsprodukt stagniert, für 2025 rechnet die Bundesregierung mit einem Wachstum von nur einem Prozent.
Herausforderung für Haushalt 2025
Finanzminister Klingbeil muss mit diesen Zahlen den Haushalt für das laufende Jahr aufstellen, der wegen des Wechsels in der Bundesregierung verschoben wurde. Am 25. Juni sollen die Pläne im Kabinett beschlossen werden. Dass vom Entwurf seines Vorgängers Christian Lindner (FDP) wenig übrig bleiben wird, gilt als sicher. Allein für 2025 erwarten die Schätzer ein Minus von 0,6 Milliarden Euro – noch vergleichsweise gering.
Klingbeil kündigte bereits eine Haushaltskonsolidierung an. Trotz Kreditmöglichkeiten gebe es keinen unbegrenzten Spielraum. Ob der neue Haushalt tatsächlich wie geplant Anfang September verabschiedet wird, hängt davon ab, inwieweit Klingbeils Parteikollegen den Kurs mittragen. Die Grünen fordern rasche Klarheit, denn die vorläufige Haushaltsführung belaste Ministerien, Wirtschaft und Gesellschaft.
Koalitionsvertrag unter Finanzierungsvorbehalt
Union und SPD hatten bereits bei der Ausarbeitung ihres Koalitionsvertrags einen Finanzierungsvorbehalt formuliert. Viele Projekte sollen nur umgesetzt werden, wenn ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Allein im kommenden Jahr werden für den Bund nun 10,2 Milliarden Euro weniger erwartet als im Herbst angenommen. Das zwingt Kanzler Friedrich Merz, Klingbeil und das Kabinett dazu, ihre Vorhaben zu priorisieren.
Im Bereich Verteidigung ist dagegen mit einem deutlichen Anstieg der Ausgaben zu rechnen. Hier erlaubt die gelockerte Schuldenbremse unbegrenzte Kreditaufnahme. Auch für Infrastrukturprojekte wie Straßen, Schienen, Kitas oder Energienetze stehen Sondermittel zur Verfügung. Diese dürfen jedoch nur zusätzlich zum Kernhaushalt genutzt werden, der ebenfalls Investitionen enthalten muss.
DGB warnt vor Kürzungen
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte mit Blick auf die vorhergesagten Steuermindereinnahmen vor neuen Einschnitten. Ein "Kürzungskurs" dürfe nicht die Lösung sein, da dieser die Krise nur weiter verschärfen würde, warnte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Stattdessen brauche es nun zusätzliche Wachstumsimpulse. Diese müsse die Bundesregierung "zügig" über das 500-Milliarden-Sondervermögen für Investitionen setzen. Vor allem die Kommunen bräuchten rasch mehr Geld für "Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau, für Schulen und Kitas, Schwimmbäder und für moderne Verwaltungen, inklusive ausreichendem und gut bezahltem Personal".
Der Arbeitskreis Steuerschätzung tagt zweimal jährlich. Darin sitzen Fachleute des Finanzministeriums, der Bundesbank, des Statistischen Bundesamts, führender Wirtschaftsinstitute, des Sachverständigenrats sowie Vertreter der Länder und Kommunen.