Der Garfield-Faktor: Krebsgen macht Katzen orange
Ja, es musste unbedingt wieder ein orangeroter Kater sein. Da ließ die Großmutter nicht mit sich reden. Denn mit der Fellfärbung gehe auch ein besonderes Verhalten einher: „Sehr kuschlig, sehr verspielt und etwas frech“ – ganz wie der Comic-Kater „Garfield“.
Tatsächlich? Bislang konnten Biologen zu dieser Hypothese nur mit den Schultern zucken. Welches Gen Katzen die besondere orangerote Färbung verpasst, war unbekannt.
Der Erbonkel

© Lisa Rock für den Tagesspiegel
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne des Wissenschaftsjournalisten und Genetikers Sascha Karberg.
Klar war nur, dass es auf dem X-Chromosom liegt und die Kürbisfarbe daher deutlich häufiger bei Katern – die neben dem Y-Chromosom nur ein X-Chromosom haben – zu beobachten ist als bei Katzen. Denn die werden nur dann komplett orange, wenn beide X-Chromosomen das entsprechend mutierte Gen tragen.

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Dabei handelt es sich um ein Gen, Arhgap36, das bisher nur im Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs aufgefallen war. Normalerweise ist es lediglich in neuroendokrinem Gewebe aktiv, einem hormonproduzierenden Nervenzelltyp. Bestimmte Mutationen des Arhgap36-Gens tragen jedoch zur Entstehung bestimmter Tumore beim Menschen bei.
Aus Krebs- wird Farbgen
Doch die jetzt von einem Forschungsteam der Stanford Universität in Kalifornien entdeckte Art von Mutation schaltet das Arhgap36-Gen ganz woanders ein: in den Pigmentzellen von Katzen. Weder bei Mäusen, Menschen noch anderen Säugetieren ist diese Genveränderung je beobachtet worden. Doch in den Zellen, die die Fellfarbe von Katzen bestimmten, stört sie die Produktion des dunklen Farbstoffs Eumelanin und des roten Phäomelanins, sodass der rötliche Farbton entsteht.
Offenbar muss es vor über 900 Jahren zu dieser Mutation gekommen sein, denn orangefarbene Katzen, die bereits auf Malereien aus dem 12. Jahrhundert verewigt sind, tragen alle dieselbe Genveränderung. Vermutlich waren es Menschen wie die Großmutter in der Familie des Erbonkels, die sich für die Farbe begeisterten und für die Verbreitung der orangenen oder der dreifarbigen Schildpattkatzen sorgten.
Dass die Mutation im Arhgap36-Gen auch Auswirkungen auf das Verhalten der Katzen hat, dafür gibt es bisher keinen Hinweis. Zwar überprüfte das Forschungsteam, ob die Mutation das Gen auch in anderen Gewebetypen als den Pigmentzellen einschaltet, etwa im Gehirn, doch bislang fanden sie nichts. Großmutters „Leon“ ist also aus ganz anderen Gründen so „kuschlig und verspielt und frech“.
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