Zu teuer? Beschweren Sie sich doch beim Klimawandel
Ob im Supermarkt, im Bioladen oder im Restaurant: Essen wird teurer. Allein im März 2025 lagen die Preise für Nahrungsmittel in Deutschland rund drei Prozent höher als im Jahr zuvor.
Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex. Allerdings wird ein Faktor zunehmend wichtiger: der Klimawandel. Extreme Hitze, Dürren und Ernteausfälle zeigen sich längst auch in gestiegenen Lebensmittelpreisen.
Wie groß dieser Einfluss ist, haben Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Europäischen Zentralbank (EZB) in einer Studie berechnet. Demnach könnten steigende Temperaturen die Nahrungsmittelinflation bis 2035 jährlich um 3,2 Prozentpunkte antreiben. Allein durch den Hitzesommer 2022 etwa, bei dem große Teile Europas unter wochenlanger Trockenheit litten, seien die Lebensmittelpreise um ganze 0,6 Prozentpunkte gestiegen.
Natürlich wirken auch andere Faktoren auf die Preise: geopolitische Krisen, verzögerte Lieferketten und Produktionsprobleme. Doch der Klimawandel verschärft diese Probleme zusätzlich. "Es gibt klare Beispiele, wo wir die Auswirkungen der klimatischen Bedingungen auf die Lebensmittelpreise in den letzten Jahren sehr direkt sehen, insbesondere in Europa", sagt Maximilian Kotz vom PIK, der Hauptautor der Studie.
Bleibt die Frage: Welche Produkte sind von dieser Dynamik derzeit besonders betroffen? Und was bedeutet das Ganze für den Globalen Süden, wo viele Menschen auch so einen Großteil ihres Einkommens für Lebensmittel aufbringen?
In Brasilien, dem Land, das weltweit am meisten Kaffee produziert, herrschte 2024 die schlimmste Trockenheit seit Jahrzehnten. Während der Blütezeit regnete es so wenig, dass die Kaffeepflanzen weniger Kaffeekirschen ausbildeten – sie trugen mehr Blätter als Früchte. Auch in Vietnam, dem wichtigsten Anbauland für Robusta-Kaffee, litten die Kaffeeplantagen unter Dürreperioden, später dann auch unter starken Regenfällen und Überschwemmungen. Diese Wetterextreme, ausgelöst durch den Klimawandel, haben die Ernten in beiden Ländern massiv reduziert. Und nicht nur dort. Auch in weiteren wichtigen Anbauländern wie Peru, Indien und Ostafrika kam es durch Wetterextreme zu geringen Erntemengen. Doch während das Angebot sank, blieb die Nachfrage hoch.
Die Folge: Die Preise explodierten. Von Dezember 2023 bis Dezember 2024 ist der Preis für Rohkaffee an den internationalen Warenbörsen teilweise um bis zu 70 Prozent angestiegen. In Deutschland ist der Preis für 500 Gramm Markenkaffee im Supermarkt von durchschnittlich sieben Euro mittlerweile auf über neun Euro gestiegen.
Für 2025 rechnen Experten mit weiteren Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent bei Großpackungen. Als mögliche Lösungen werden die Förderung klimaresistenter Arabica-Hybriden, ertragreichere Robusta-Varianten sowie die seltenen Kaffeearten Liberica und Stenophylla erforscht. Ertrag und geschmackliche Qualität stellen hier allerdings nach wie vor Herausforderungen dar. Auch bestimmte Anbauformen, etwa der Anbau in beschatteten Feldern, können helfen, ökologische und klimatische Probleme abzufedern.
Seit 2020 ist der Preis von Orangensaft um mehr als 50 Prozent gestiegen. Selbst Discounter wie Aldi haben ihre Preise deutlich erhöht. Ursachen sind auch hier klimabedingte Erntekrisen: Brasilien dominiert auch den globalen Orangensaftmarkt, etwa 75 Prozent der verwendeten Orangen (PDF) stammen aus dem Land. In der Erntesaison 2024/2025 wurden hier massive Ernteeinbrüche durch Klimaextreme verzeichnet: Dürren, Starkregen und die unheilbare Baumkrankheit Citrus-Greening, die teilweise ganze Plantagen zerstört hat. Eine wesentliche Ursache für die Ausbreitung der Krankheit sind dabei Monokulturen. Weil großflächig dieselbe Pflanzenart angepflanzt wird, wird diese anfälliger für Krankheitserreger. Aber auch Spanien und Florida kämpfen mit Extremwettern und Ernteausfällen.
Die Folgen sind drastisch: Der Börsenpreis für Orangensaftkonzentrat hat sich seit 2020 etwa verdreifacht. Einige Hersteller reagieren mit Tricks: verkleinerte Flaschen bei gleichem Preis oder immer mehr Beimischung von Wasser und Zucker statt Fruchtfleisch. Zwar wird für die Saison 2025/2026 mit einer leichten Erholung gerechnet, eine tiefgreifende Trendwende ist derzeit aber nicht in Sicht.
Die Preise für Schokolade in Deutschland sind im März 2025 im Schnitt 16,7 Prozent höher als im Vorjahr. Besonders Schokoladentafeln wurden mit rund 25 Prozent teurer. Die deutsche Schokoladenindustrie und der Verbraucher bekommen massive Kakaoernteeinbrüche in Afrika hier direkt zu spüren: Alleine in Ghana, einem der größten Anbauländer, sank die Ernte 2024 um fast die Hälfte. Dürren, Starkregen und Schädlinge machten der Plantagenwirtschaft schwer zu schaffen. Dazu kamen das Wetterphänomen El Niño, das die dortigen Ernten alle paar Jahre erschwert, Pflanzenkrankheiten wie Cacao-Swollen-Shoot-Virus und Black-Pod-Disease und der illegale Goldabbau. Nachhaltigkeitsprogramme versuchen, die Situation zu verbessern, doch ohne höhere Erlöse für die Bauern bleibt die Lage schwierig. So lebt die Mehrheit der weltweit fünf Millionen Kakaobauern nach wie vor in Armut und kann sich deshalb kaum leisten, sich besser auf Extremwetter vorzubereiten.
In Spanien, dem weltweit größten Olivenölproduzenten, führten extreme Dürren und Hitzewellen in den Jahren 2022 und 2023 zu drastischen Ernteeinbrüchen. Olivenbäume sind zwar trockene und heiße Bedingungen gewohnt, benötigen aber für eine erfolgreiche Blüte und Fruchtbildung viel Wasser. Der Olivenöl-Ertrag stürzte in der Folge von den üblichen 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr auf um die 600.000 Tonnen.
Durch günstigere klimatische Bedingungen mit mehr Niederschlägen und milderen Temperaturen haben sich die Preise mittlerweile wieder etwas erholt. Stiftung Warentest berichtet, dass die Erzeugerpreise in Spanien um 22 Prozent und in Griechenland um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken sind. Allerdings begünstigt der Klimawandel die Ausbreitung von Insekten wie Zikaden, die Pflanzenkrankheiten übertragen.
Der Lebensmittelpreisindex der Vereinten Nationen prognostiziert, dass die globale Weizenproduktion im Jahr 2025 mit etwa 795 Millionen Tonnen zwar auf dem Niveau des Vorjahres liegen wird. Allerdings ist die Prognose durchmischt: Während in Asien Rekordernten erwartet werden, dürfte es in Europa, den USA und im Nahen Osten wieder trocken werden – und die Weizenernte damit gering ausfallen. Die Weizenpreise sind ohnehin einem komplexen Zusammenspiel von Angebot, Nachfrage, geopolitischen und klimatischen Faktoren unterworfen.
Für den Globalen Süden bedeutet dieser Dauerschwebezustand erhöhte Ernährungsunsicherheit: Viele afrikanische Länder können aufgrund klimatischer und agrarwirtschaftlicher Bedingungen nicht ausreichend Weizen selbst produzieren und müssen daher einen großen Teil ihres Weizenbedarfs importieren.
Preisschwankungen können hier jederzeit zu höheren Lebensmittelkosten führen. Das trifft besonders ärmere Bevölkerungsgruppen, die einen großen Teil ihres Einkommens für Grundnahrungsmittel ausgeben müssen. Die Kombination aus klimabedingten lokalen Ernteausfällen von Weizen und globalen Preisschwankungen führt hier zu einer erhöhten Anfälligkeit für Hunger und soziale Unruhen.
Was lässt sich dagegen tun?
Die Beispiele zeigen: Extremwetter, Monokulturen und Schädlingsbefall sind schon heute ein Faktor, der die Lebensmittelpreise in die Höhe treibt. Und sollten die Temperaturen weiter steigen, werden Extremwetter und Ernteausfälle wohl noch deutlich stärker auf Preise und Verfügbarkeit von Lebensmitteln wirken.
Am stärksten trifft das diejenigen, die ohnehin wenig haben. Laut der Studie Price Shocks 2025 der Stiftung World Vision sind die Lebensmittelpreise in einigen Weltregionen innerhalb eines Jahres um bis zu 50 Prozent gestiegen. Doch die Menschen dort können mit einem derartigen Schock nicht umgehen, warnt Michael Kühn, Senior Policy Advisor für Klima und humanitäre Hilfe bei der Welthungerhilfe: "Im Globalen Süden, insbesondere in Ländern, in denen die Kaufkraft sehr gering ist und die Menschen zum Teil ihr gesamtes Einkommen für Nahrungsmittel ausgeben müssen, kann das für Familien verheerende Folgen haben."
Auch Maximilian Kotz gibt zu bedenken, dass arme Haushalte einen viel höheren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben würden. Ein Anstieg der Lebensmittelpreise im Vergleich zu den Kosten anderer Güter auf dem Markt wirke sich daher unverhältnismäßig stark auf das Wohlergehen von Menschen in armen Haushalten aus – auch in Ländern wie Deutschland.
Was man gegen die aus dem Ruder laufenden Lebensmittelpreissteigerungen tun kann? Dringend notwendig ist eine Reduktion von Treibhausgasen – denn solange der Klimawandel voranschreitet, werden auch die Ernten davon beeinträchtigt werden. Wichtig ist aber auch, dass Bauern sich an die veränderten Klimabedingungen anpassen, etwa indem sie in Bewässerung investieren oder andere Sorten anbauen.
Allerdings gibt es dabei nicht die eine Lösung, die überall umgesetzt werden solle, sagt Dunja Krause, Senior Policy Advisor für Klima und Landwirtschaft bei der Welthungerhilfe. Sondern man müsse lokal schauen, was funktioniere: Seien es neue Sorten und Anbautechniken, lokale Saatgutbanken oder lokale, alte Sorten wiederzuentdecken.
Selbst einige Großkonzerne investieren derzeit nach eigenen Angaben Milliardensummen in den regenerativen Anbau. Hier muss man laut Krause aber sehr genau hinschauen – "damit keine neuen Abhängigkeiten geschaffen werden und lediglich neue Auflagen an Bauern weitergegeben werden".