Professorin an der FH Dortmund: "Hier zählt Zusammenarbeit wirklich"

Prof.in Dr. Emra Ilgün-Birhimeoglu, wie verlief Ihr Weg zur Professur?


Nicht ganz geradeaus. Während und direkt nach dem Studium war das überhaupt nicht mein Ziel. Mit dem Abschluss in Erziehungswissenschaften bin ich in die Praxis gegangen und habe vier Jahre in vielen unterschiedlichen Bereichen gearbeitet. Doch dann ergab sich plötzlich keine Option mehr, die mich gereizt hätte. Ich habe mich mit einer Freundin beraten und schließlich auf ein Promotionsstipendium beworben. Ich bat eine Uni-Professorin um ein Empfehlungsschreiben und sie bot mir direkt einen Job an – so kam ich zu der Promotionsstelle. Die Professorin sagte mir, dass eine FH-Professur ideal für mich wäre. Ich dachte darüber nach, informierte mich und der Gedanke gefiel mir immer besser. Der Plan motivierte mich enorm, auch für die Promotion.

Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften und an der FH Dortmund?


Das ist ein wichtiger Punkt für mich. Mir ist damals klargeworden, dass ich nur noch mit Leuten zusammenarbeiten möchte, die ich auch mag. Deswegen habe ich schon im Bewerbungsverfahren gefragt, wie es am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften damit aussieht. Es hieß, dass hier sehr auf gute Zusammenarbeit geachtet werde und dass von extern oft das Feedback komme, dass es hier besonders offen und wertschätzend zugehe. Und genauso erlebe ich es hier auch. Als ich anfing, sind viele von sich aus auf mich zugekommen und haben mich einbezogen. Das hat mir sehr gut gefallen. Die gesamte Organisation am Fachbereich spiegelt das wider, es gibt klare Ansprechpartner*innen, Anliegen werden schnell bearbeitet, Diskussionen werden engagiert und sachlich geführt.

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag als Professorin aus?


In der Vorlesungszeit habe ich drei Tage die Woche Lehre. Die erste Veranstaltung beginnt um 8.30 Uhr. Ein bis zwei weitere im Anschluss – oft dank der guten Organisation der Verwaltung im selben Raum. Nach der Mittagspause habe ich meistens noch andere Termine, zum Beispiel akademische Selbstverwaltung, Fachbereichsrat oder Sprechstunden für die Studierenden und die Betreuung von Abschlussarbeiten. Zwischendurch beantworte ich Mails, arbeite an einem Beitrag oder bereite einen Vortrag vor. 
Die vorlesungsfreie Zeit ist eher die Korrekturphase, wo ich dann zum Beispiel Klausuren oder Hausarbeiten korrigiere, Lehrveranstaltungen plane, Texte für Fachliteratur schreibe und Kooperationen pflege.

Wie klappt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?


In meiner Lehre bin ich relativ frei. Ich arbeite zum Beispiel samstags oder sonntags Sachen ab und bin dafür aber Freitag nachmittags oder manchmal mittwochs um 14 Uhr bei meinen Kindern. Was ich auch gut finde: dass in den Osterferien und in Herbstferien immer eine Woche vorlesungsfreie Zeit ist. Sehr familienfreundlich. Das kannte ich von der Uni, an der ich vorher war, nicht. In den Sommerferien ist es manchmal etwas schwieriger, da fallen vorlesungs- und prüfungsfreie Zeit und Schulferien höchstens zum Teil zusammen.

Welche Rolle spielen für Sie Kooperationen mit Menschen in der praktischen sozialen Arbeit und der Gesellschaft?


Im dualen Studium ist der Praxisbezug ja sowieso ganz stark. Die Studierenden arbeiten in der Praxis und bringen ganz oft Fragen und Beispiele mit. Manchmal sagen sie, was wir im Seminar besprochen haben, war bei uns überhaupt nicht umzusetzen. Dann suchen wir nach Gründen dafür und nach neuen Lösungen. Die meisten unserer Studierenden werden nachher nicht in die wissenschaftliche Karriere einsteigen, sondern in die Praxis gehen und mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen arbeiten. Deswegen ist diese Verwobenheit der Lehrinhalte mit der Praxis total wichtig. Die Studierenden bringen viel davon rein, aber ich lade auch immer wieder Leute aus der Praxis ein, die von ihrem Arbeitsalltag berichten.

Wie motivieren Sie Studierende?


Darüber denke ich viel nach. Ich probiere vieles aus. Ich versuche zum Beispiel ganz stark, sie direkt anzusprechen. Ich stelle ihnen Fragen, bitte sie um Beispiele, verwende verschiedene Konzepte. Mache zum Beispiel Quizze zwischendurch, sodass sie den Stoff in unterhaltsamer Form wiederholen. Und ich bleibe so viel wie möglich im Gespräch mit ihnen und versuche nahbar zu sein. Ich bin zum Beispiel gerade dabei, eine Rassismus-Gesprächsrunde zu etablieren, weil viele Studierende gerade in den höheren Semestern viel darüber reden und diskutieren wollen und in den Lehrveranstaltungen die Zeit begrenzt ist. Außerdem möchte ich eine Filmreihe namens "Science meets Fiction" anbieten, in der wir uns Spielfilme anschauen und anschließend mit einer Wissenschaftlerin oder einem Wissenschaftler noch mal aus deren Perspektive darauf blicken. In einem Seminar habe ich eingeführt, dass jeweils am Ende ein bis zwei Personen einen Instagram- oder Tiktok-Account empfehlen, bei dem es um Inhalte geht, über die wir gesprochen haben. Das kommt ganz gut an.

Prof. Dr. Emra Ilgün-Birhimeoglu im direkten Gespräch mit den Studierenden. © FH Dortmund /​ Mike Henning

Wie unterstützt Sie die FH Dortmund in Ihren Forschungsschwerpunkten?

Mein Forschungsschwerpunkte sind erstens "Rassismuskritik und Migration im Kontext von zivilgesellschaftlichem Engagement" und zweitens "Kindheit und Familien in der Migrationsgesellschaft". Dafür habe ich mich bereits auf die hochschuleigenen Fördermittel beworben – erfolgreich. An der FH werden Neuberufene dabei bevorzugt. Das hat alles sehr gut geklappt. Das ist auch ein großer Vorteil gegenüber der privaten Hochschule, wo ich vorher war, die weniger hochschuleigene Mittel zur Verfügung hat. An der FH Dortmund haben mich der Fachbereich und insbesondere die Dekanin dabei unterstützt. Jetzt bin ich gerade dabei, einen größeren Antrag beim BMBF zu formulieren, und auch dabei unterstützt mich die FH. Und ich profitiere sehr von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen.