Ist denn schon wieder Sommer?

Bereits im eigentümlichen Begriff der Lichtverschmutzung steckt einiges an gedanklicher Akrobatik. Hier wird Beleuchtung in die Nähe gerückt von Müll, Lärm und Abgasen – als eine Form der Umweltverschmutzung. Und die hat Folgen, wie sich weltweit am Wachstum von Pflanzen ablesen lässt. Eine neue Studie von Fachleuten aus China, den USA und Deutschland zeigt nun sogar: Das nächtliche Licht von Straßenlaternen, Leuchtreklamen und Gebäuden verschiebt in den großen Städten die Jahreszeiten.

Was zu weiterer Gedankenakrobatik führt: Einteilungen für die Jahreszeiten gibt es in der Forschung nämlich ganz unterschiedliche. In Dreierhappen zählen die Meteorologen für ihre Wetterstatistik etwa Dezember, Januar und Februar als die "Wintermonate" oder Juni, Juli und August als "Sommermonate". Astronomisch (manchmal auch: kalendarisch) sind die Jahreszeiten hingegen über das Verhältnis von Tag- und Nachtlängen ­definiert. Bei der Tag-Nacht-Gleiche am 20. März dieses Jahres begann der Frühling, jene am 22. September markiert den Herbststart. Zu den ­beiden Sonnenwenden am 21. Juni und 21. Dezember wiederum werden Sommer und Winter ihren jeweiligen Anfang nehmen. All das ist leicht definiert und universell gültig.

Ganz anders ist es mit den Jahreszeiten der Natur. So läutet die Haselblüte den Vorfrühling ein, mit der Apfelblüte beginnt der Vollfrühling, den Frühsommer kündigt der Holunder an, den Hochsommer die Linde – insgesamt zehn solcher Arten und Momente nutzen die Fachleute. Ihr Vegetations­fortschritt markiert den Beginn je einer "phänologischen Jahreszeit". Und diese verschieben sich unter dem Eindruck der globalen Erwärmung. So blühte im vergangenen Jahr der Haselstrauch (Vorfrühling!) bereits Ende Januar statt wie statistisch üblich in der zweiten Februarwoche, die Stieleiche verlor ihre Blätter (Winterbeginn!) zwei Tage später als im langjährigen Mittel.

Die Phänologie ist also nicht nur die Lehre vom Einfluss des Wetters und der Witterung auf die Entwicklung von Pflanzen, sondern auch die von den Folgen des Klimas dafür. Um bis zu zwei Wochen hat dessen Erwärmung die phänologischen Phasen in Deutschland schon verschoben. So zeigt es in Echtzeit die "phänologische Uhr", die der Deutsche Wetterdienst online pflegt.

Phänologische Jahreszeiten

Januar

Februar

Hasel

(Blüte)

9. 2./3. 2.

Vorfrühling

März

Erstfrühling

Forsythie

(Blüte)

24. 3./21. 3.

April

Vollfrühling

Apfel

(Blüte)

26. 4./15. 4.

Mai

Frühsommer

Holunder

(Blüte)

25. 5./19. 5.

Juni

Hochsommer

Sommerlinde

(Blüte)

17. 6./9. 6.

Juli

Apfel

Spätsommer

(Früchte)

3. 8./31. 7.

August

Frühherbst

Holunder

September

(Früchte)

21. 8./11. 8.

Vollherbst

Stieleiche

(Früchte)

17. 9./14. 9.

Oktober

Spätherbst

Stieleiche

(Blattverfärbung)

19. 10./20. 10.

November

Winter

Stieleiche

(Blattfall)

7. 11./9. 11.

Dezember

©ZEIT-Grafik, Illustration: Matthias Holz

Phänologische Jahreszeiten

Januar

Hasel

(Blüte)

Februar

9. 2./3. 2.

Vorfrühling

März

Erstfrühling

Forsythie

(Blüte)

24. 3./21. 3.

April

Vollfrühling

Apfel

(Blüte)

26. 4./15. 4.

Mai

Frühsommer

Juni

Holunder

(Blüte)

Hochsommer

25. 5./19. 5.

Juli

Sommerlinde

(Blüte)

17. 6./9. 6.

Spätsommer

Apfel

August

(Früchte)

3. 8./31. 7.

Holunder

Frühherbst

(Früchte)

21. 8./11. 8.

September

Vollherbst

Stieleiche

(Früchte)

17. 9./14. 9.

Oktober

Spätherbst

November

Stieleiche

(Blattverfärbung)

19. 10./20. 10.

Winter

Dezember

Stieleiche

(Blattfall)

7. 11./9. 11.

©ZEIT-Grafik, Illustration: Matthias Holz

Phänologische Jahreszeiten

Januar

Hasel

(Blüte)

Februar

9. 2./3. 2.

Vorfrühling

März

Erstfrühling

Forsythie

(Blüte)

24. 3./21. 3.

April

Vollfrühling

Apfel

(Blüte)

26. 4./15. 4.

Mai

Frühsommer

Juni

Holunder

(Blüte)

Hochsommer

25. 5./19. 5.

Juli

Sommerlinde

(Blüte)

17. 6./9. 6.

Spätsommer

Apfel

August

(Früchte)

3. 8./31. 7.

Holunder

Frühherbst

(Früchte)

21. 8./11. 8.

September

Vollherbst

Stieleiche

(Früchte)

17. 9./14. 9.

Oktober

Spätherbst

November

Stieleiche

(Blattverfärbung)

19. 10./20. 10.

Winter

Dezember

Stieleiche

(Blattfall)

7. 11./9. 11.

©ZEIT-Grafik, Illustration: Matthias Holz

Phänologische Jahreszeiten

Januar

Februar

Hasel

(Blüte)

9. 2./3. 2.

Vorfrühling

März

Erstfrühling

Forsythie

(Blüte)

24. 3./21. 3.

April

Vollfrühling

Apfel

(Blüte)

26. 4./15. 4.

Mai

Frühsommer

Holunder

(Blüte)

25. 5./19. 5.

Juni

Hochsommer

Sommerlinde

(Blüte)

17. 6./9. 6.

Juli

Apfel

Spätsommer

(Früchte)

3. 8./31. 7.

August

Frühherbst

Holunder

September

(Früchte)

21. 8./11. 8.

Vollherbst

Stieleiche

(Früchte)

17. 9./14. 9.

Oktober

Spätherbst

Stieleiche

(Blattverfärbung)

19. 10./20. 10.

November

Winter

Stieleiche

(Blattfall)

7. 11./9. 11.

Dezember

©ZEIT-Grafik, Illustration: Matthias Holz

Phänologische Jahreszeiten

Januar

Hasel

(Blüte)

Februar

9. 2./3. 2.

Vorfrühling

März

Erstfrühling

Forsythie

(Blüte)

24. 3./21. 3.

April

Vollfrühling

Apfel

(Blüte)

26. 4./15. 4.

Mai

Frühsommer

Juni

Holunder

Holunder

(Blüte)

Hochsommer

25. 5./19. 5.

Juli

Sommerlinde

(Blüte)

17. 6./9. 6.

Spätsommer

Apfel

August

(Früchte)

3. 8./31. 7.

Holunder

Frühherbst

(Früchte)

21. 8./11. 8.

September

Vollherbst

Stieleiche

(Früchte)

17. 9./14. 9.

Oktober

Spätherbst

November

Stieleiche

(Blattverfärbung)

19. 10./20. 10.

Winter

Dezember

Stieleiche

(Blattfall)

7. 11./9. 11.

©ZEIT-Grafik, Illustration: Matthias Holz

Phänologische Jahreszeiten

Januar

Hasel

(Blüte)

Februar

9. 2./3. 2.

Vorfrühling

März

Erstfrühling

Forsythie

(Blüte)

24. 3./21. 3.

April

Vollfrühling

Apfel

(Blüte)

26. 4./15. 4.

Mai

Frühsommer

Juni

Holunder

(Blüte)

Hochsommer

25. 5./19. 5.

Juli

Sommerlinde

(Blüte)

17. 6./9. 6.

Spätsommer

Apfel

August

(Früchte)

3. 8./31. 7.

Holunder

Frühherbst

(Früchte)

21. 8./11. 8.

September

Vollherbst

Stieleiche

(Früchte)

17. 9./14. 9.

Oktober

Spätherbst

November

Stieleiche

(Blattverfärbung)

19. 10./20. 10.

Winter

Dezember

Stieleiche

(Blattfall)

7. 11./9. 11.

©ZEIT-Grafik, Illustration: Matthias Holz

An der inneren Uhr der Pflanzen dreht aber noch ein weiterer Faktor, zumindest in den Städten, und zwar noch stärker als die Klimakrise. Es ist die Lichtverschmutzung. "Künstliche Beleuchtung in der Nacht übertrifft die Temperatur bei der ­Verlängerung der Wachstumsperiode", berichten Wissenschaftler um Lin Meng von der Vanderbuilt University in Nash­ville in der Fachzeitschrift ­Nature Cities. Ein globales Zahlenmosaik hat die Forscherinnen und Forscher, zu denen auch der Ber­liner Ökologe Franz Hölker vom Leibniz-­Institut für Gewässerökologie und Bin­nen­fische­rei gehört, zu ihren Erkenntnissen geführt. Sie kombinierten Satellitendaten zur nächtlichen Helligkeit mit lokalen Temperatur­messungen und phänologischen Angaben aus 428 Städten der nörd­lichen Erdhalbkugel. Die erste Einsicht daraus: Vom Umland zum Stadtzentrum hin steigt die Intensität der Beleuchtung exponentiell. Die zweite Einsicht: In der Stadt beginnt die Blüte früher und endet die Vegetationsperiode später als auf dem Land. Für die dritte Lehre mussten die Fachleute ­einen Vergleich anstellen.

Denn es ist lange bekannt, dass sich Städte in der Klimakrise stärker erwärmen als ihr Umland. Im Jargon spricht man vom Effekt "urbaner Hitzeinseln". Im Mittel erwärmten sich Städte im vergangenen Jahrzehnt etwa ein Drittel schneller als das Umland. Auch das beeinflusst die städtische Flora. Der statistische Abgleich zeigte jedoch, dass der Einfluss nächtlicher Beleuchtung auf die Vegetation noch stärker ist, wenn es darum geht, "die urbane Wachstumsperiode zu vergrößern" – für die Pflanzen also gewissermaßen den Winter zu verkürzen.

Dieses Wissen soll helfen, künftig weniger zu verschmutzen. So fließt Franz Hölkers Forschung in eine neue Rechtsverordnung ein, die gerade entsteht. Hölker betont: Dabei gehe es nicht darum, nachts alle Lichter auszuschalten. Vielmehr könnten kleine Änderungen im Detail die schäd­lichen Auswirkungen deutlich mindern. Etwa, wo in welcher Stärke und welchem Winkel Lampen leuchteten und auch in welchen Wellenlängen.

Das ist auch deswegen relevant, weil die Umweltverschmutzung durch nächtliches Licht bislang rasant zunimmt. Drei bis sechs Prozent mehr pro Jahr waren es bereits Ende des 20. Jahrhunderts. Im zurückliegenden Jahrzehnt wurde es aber noch sehr viel heller: plus zehn Prozent pro Jahr.