Killer-Wellness: Orcas massieren sich gegenseitig mit Seetang
Vor der Westküste der USA wurden Schwertwale beobachtet, die Seetang abpflücken und als Werkzeug benutzen. Die Tiere bringen Stiele auf passende Länge und massieren sich minutenlang gegenseitig damit, indem sie die Stängel zwischen ihren Körpern hin und her rollen.
Junge und alte Wale wurden bei dem Verhalten beobachtet, das vermutlich nicht nur dazu dient, die Haut zu pflegen.
Forschende vom US-amerikanischen Center for Whale Research (CWR) und der britischen Universität Exeter entdeckten das Verhalten auf Videoaufnahmen von „Southern Resident“-Schwertwalen. Sie nennen es „Allokelping“, abgeleitet von dem griechischen Wort „allo“ für fremd, gegenseitig und „kelping“ für den Seetang oder „Kelp“ der dabei zum Einsatz kommt. Die Forschenden vermuten, dass die Pflegemassage auch dazu dient, soziale Bindungen zu stärken.
Eigentümliche Küstenorcas
Die „Southern Residents“ sind eine Teilpopulation von heute nur noch 74 Tieren, die in drei „Pods“ genannten Gruppen leben. Die Tiere sind vergleichsweise ortstreu und regelmäßig in Küstennähe in der Salischen See zwischen dem US-Bundesstaat Washington und dem kanadischen Vancouver Island zu beobachten.
Sie leben getrennt von nur gelegentlich anzutreffenden, weniger ortstreuen Gruppen und den Hochsee-Orcas in der Region und pflanzen sich nicht gemeinsam mit ihnen fort. Im Unterschied zu den anderen Orcas ernähren sich die Residents vor allem von Lachs, während die anderen Schwertwale häufiger andere Wale und Robben jagen.
Die Southern Residents sind eine genetisch, ökologisch und kulturell eigene Population. „Männchen und Weibchen aller Altersklassen wurden dabei beobachtet, wie sie Seetang auf diese Weise nutzten“, berichtet CWR-Forschungsdirektor Michael Weiss. Es sei der erste Nachweis für die Herstellung von Werkzeugen durch Meeressäuger, berichtet das Forschungsteam jetzt in der Fachzeitschrift „Current Biology“. „Alles deutet darauf hin, dass dies ein wichtiger Teil ihres sozialen Lebens ist“, sagt Weiss.
Auch von anderen Walarten ist bekannt, dass sie gelegentlich „Kelpen“ – also mit Seetang spielen oder ihren Körper daran reiben, um Parasiten zu entfernen. Aber Allokelping ist ein kooperatives Verhalten. Zwei Wale arbeiten zusammen und „kelpen“ sich gegenseitig.

© Center for Whale Research, NMFS NOAA Permit 27038
Das Werkzeug, Teile des Stiels von Seetangpflanzen der Art Nereocystis luetkeana, wird ausgewählt, gepflückt und für die Verwendung vorbereitet. „Der Seetangstiel ist fest, aber flexibel, wie ein gefüllter Gartenschlauch, mit einer glatten Außenfläche“, berichtet Weiss. Er vermutet, dass dies die Stiele zu idealen Werkzeugen für die Körperpflege macht.
Noch ist unklar, ob dieses Verhalten nur bei dieser Schwertwal-Population auftritt oder auch bei anderen oder auch anderen Arten von Walen. „Diese Entdeckung unterstreicht die Einzigartigkeit der Gesellschaft und Kultur dieser Wale und zeigt, wie wichtig es ist, diese Population zu schützen“, sagt Weiss.
Der Biologe findet persönlich am bemerkenswertesten, dass dieses Verhalten so häufig vorkommt. „Wir sehen es an den meisten Tagen, an denen wir mit unserer Drohne über diese Wale fliegen.“ Und dennoch sei es in fast 50 Jahren engagierter Beobachtung – wenn auch größtenteils noch ohne Drohnen – nicht entdeckt worden. Weiss dazu: „Für mich zeigt das nicht nur die Stärke neuer Beobachtungsmethoden, sondern auch, wie viel wir noch über diese Tiere lernen müssen.“
* Korrektur: In der ersten Version hieß es unzutreffend „Werkzeuggebrauch“. Dieser ist bereits von Meeressäugern bekannt. Wenn der gegenseitige Nutzen des „Allokelping“ bestätigt wird, wäre es aber der erste Nachweis der Herstellung eines Werkzeugs durch Meeressäuger, schreibt das Team um Weiss.