Warum eines der schwersten Erdbeben glimpflich ausgegangen ist

Nahe der russischen Halbinsel Kamtschatka ereignete sich in der vergangenen Nacht unter dem Meeresboden ein Erdbeben der Stärke 8,8. Damit handelt es sich um eines der stärksten Beben des Jahrhunderts.

Das Beben löste einen Tsunami aus. In Russland, einigen Pazifikinseln und an der Westküste der USA ist er bereits auf Land getroffen.

In Südamerika, Australien, Neuseeland und der Südsee wird noch vor der Welle gewarnt.

So schwer wie in der vergangenen Nacht hat die Erde seit März 2011 nicht mehr gebebt. Damals traf eine riesige Tsunamiwelle Japan und führte dort zur Reaktorkatastrophe von Fukushima. Wie viel das aktuelle Beben und sein Tsunami in Kamtschatka und anderswo zerstört haben, lässt sich noch nicht genau sagen. Bislang sieht es danach aus, als ob die Schäden im Vergleich zur Katastrophe von 2011 gering ausfallen.

In Fukushima ereignete sich das Erdbeben in der japanischen Region Tohoku und hatte eine Stärke von 9.0, war also etwas heftiger als das Beben der vergangenen Nacht. Bis zu 15 Meter hoch war damals jene Welle, durch die mehr als 15.000 Menschen starben und 130.000 Menschen obdachlos wurden. Das Wasser war kilometerweit ins Landesinnere eingedrungen, hatte Gebäude und Fahrzeuge weggespült und mehr als 320 Kilometer japanischer Küstenlinie überflutet.

Auch in Kamtschatka könne die Welle bis zu 15 Meter hoch gewesen sein, teilte das russische Institut für Ozeanologie mit. Insgesamt gibt es aus der Region bisher nur sehr wenige Informationen. Nach Angaben regionaler Behörden gab es mehrere Verletzte, genauere Zahlen gibt es nicht. Tote wurden nicht gemeldet. Teilweise stürzten Gebäude ein. Der entscheidende Grund, warum die Schäden dieses Mal wohl dennoch geringer ausfallen dürften als in Fukushima, ist aber, dass die Region Kamtschatka sehr dünn besiedelt ist. "Für die Menschen vor Ort bleibt es aber natürlich eine Katastrophe", sagt Tsunami-Expertin Heidrun Kopp vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. 

Wie es zu dem Tsunami kam

Beim Kamtschatka-Beben lag das Epizentrum in etwa 20 Kilometern Tiefe – allerdings unter dem Meer. Hier geht die Gefahr davon aus, wie viel Energie die ruckartigen Bewegungen ans darüberliegende Wasser übertragen. Die Erschütterung breitet sich als ringförmige Welle aus, strebt vom Zentrum des Bebens aus nach außen – in diesem Fall in westliche und nördliche Richtung zu den Küsten Chinas, Japans und Russlands und in östliche und südliche Richtung über den gesamten Pazifik.

Privataufnahmen zeigen, wie nach dem Erdbeben vor Kamtschatka Tsunamiwellen auf die Küstenstadt Sewero-Kurilsk in der russischen Region Sachalin treffen. © Reuters

"Je stärker das Erdbeben, desto größer ist potenziell die Tsunamiwelle", sagt Kopp. Dabei ist die Erdbebenskala logarithmisch: Steigt die Stärke des Erdbebens um eins in der Richterskala, wird das Erdbeben 30-mal stärker. Erst ab einer Stärke von ungefähr sieben können Tsunamis entstehen.

Wie ein Tsunami entsteht

Schematische Darstellung der

Entstehung eines Tsunamis

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Ein Erdbeben erschüttert den Meeresboden.

Eine gewaltige Wassersäule wird nach oben

gedrückt.

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Wellen bewegen sich in alle Richtungen über

den Ozean.

Im flachen Wasser verdichten sich die Wellen

und wachsen in die Höhe.

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Quelle: NOAA

Wie ein Tsunami entsteht

Schematische Darstellung der Entstehung

eines Tsunamis

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Ein Erdbeben erschüttert den Meeresboden.

Eine gewaltige Wassersäule wird nach oben

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Wellen bewegen sich in alle Richtungen über

den Ozean.

Im flachen Wasser verdichten sich die Wellen

und wachsen in die Höhe.

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Quelle: NOAA

Wie ein Tsunami entsteht

Schematische Darstellung der

Entstehung eines Tsunamis

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Ein Erdbeben erschüttert den Meeresboden.

Eine gewaltige Wassersäule wird nach oben

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Wellen bewegen sich in alle Richtungen über

den Ozean.

Im flachen Wasser verdichten sich die Wellen

und wachsen in die Höhe.

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Wie ein Tsunami entsteht

Schematische Darstellung der Entstehung

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Ein Erdbeben erschüttert den Meeresboden.

Eine gewaltige Wassersäule wird nach oben

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Wellen bewegen sich in alle Richtungen über

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Im flachen Wasser verdichten sich die Wellen

und wachsen in die Höhe.

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Quelle: NOAA

Wie ein Tsunami entsteht

Schematische Darstellung der Entstehung eines Tsunamis

Im flachen Wasser

verdichten sich die

Wellen und wachsen in

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Eine gewaltige Wassersäule wird

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Ein Erdbeben erschüttert

den Meeresboden.

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Wie ein Tsunami entsteht

Schematische Darstellung der Entstehung eines Tsunamis

Im flachen Wasser

verdichten sich die

Wellen und wachsen in

die Höhe.

Wellen bewegen sich in alle

Richtungen über den Ozean.

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Eine gewaltige Wassersäule wird

nach oben gedrückt.

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Ein Erdbeben erschüttert

den Meeresboden.

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Quelle: NOAA

Das Wort "Tsunami" setzt sich aus den japanischen Begriffen für Hafen (Tsu) und Welle (Nami) zusammen. Tatsächlich richten Tsunamis am Ufer – also etwa in Häfen und Buchten – große Schäden an. Das hat physikalische Ursachen: Das Erdbeben setzt schlagartig Energie frei, die sich als Spannung im Gestein aufgebaut hatte. Diese setzt große Wassermassen in Bewegung. In der Tiefe breiten sich die Wellen ungestört aus, steigt aber der Meeresboden an, werden sie kürzer, aber dafür höher. "Man muss sich das so vorstellen, wie wenn man in der Badewanne sitzt und mit den Füßen strampelt", sagt Tsunami-Expertin Kopp. "Dann erzeugt man quasi kleine Tsunamiwellen."

Je nach geografischen Gegebenheiten sieht die Welle unterschiedlich aus, wenn sie auf Land trifft. Mal bleibt es bei einer schnell steigenden Flut, manchmal jedoch zieht sich das Meer am Strand zunächst zurück, bevor die Tsunamiwelle wie eine Wasserwand an Land drängt. Dabei entfaltet sie eine enorme Zerstörungskraft. Denn anders als alltägliche Wellen wird ein Tsunami nicht bloß durch den Wind angetrieben. Stattdessen bewegt sich die gesamte Wassersäule, vom Meeresboden bis zur Oberfläche. "Die Energie, die von Tsunamiwellen transportiert wird, ist überhaupt nicht mit Windwellen zu vergleichen", sagt Kopp. "Tsunamis laufen tief ins Landesinnere hinein und fegen Autos, Häuser und Infrastruktur einfach so weg." 

In Petropawlowsk-Kamtschatski, einer Küstenstadt im Südosten der Halbinsel Kamtschatka, ist ein Kindergartengebäude durch das Erdbeben eingestürzt. Verletzte gab es dabei nicht. © Valeria Kosilova/​ZUMA Press/​imago images

"Ein Erdbeben der Magnitude 8,8, wie das, was wir jetzt gesehen haben, ist wirklich extrem stark", sagt Kopp. Anders ausgedrückt: Das Beben bei Kamtschatka gehört zu den schwersten Erschütterungen des 20. und 21. Jahrhunderts. Dabei steht es in einer langen Reihe vieler schwerer Beben in dieser Gegend, die eine der seismisch und vulkanisch aktivsten Weltregionen ist. Denn am Rande des Nordpazifiks, vor der russischen Halbinsel Kamtschatka, stoßen in der Tiefe die Pazifische und die Nordamerikanische Platte aufeinander. Die pazifische Platte bewegt sich mit einem Tempo von knapp einem Zentimeter pro Jahr nach Nordwesten, also auf Russland, zu. Dabei verhakt sich das Gestein unterirdisch, Spannung baut sich auf.

Verwirrend ist hier die geologische Bezeichnung: Die Nordamerikanische Platte erstreckt sich weiter nach Westen als Nordamerika, sie liegt teils sogar unter Kamtschatka. Die Pazifikplatte wiederum schiebt sich nordwestlich unter die Nordamerikanische Platte. "Subduktion" nennen das die Geologen. An der Stelle, an der die Erdplatten sich begegnen, verläuft ein Tiefseegraben ("Kurillen-Kamtschatka-Graben"). Dieser beherbergt eine Vielzahl der Epizentren früherer Beben. Die Grafik des US-amerikanischen geologischen Dienstes (US Geological Survey, USGS) zeigt alleine 15 Erschütterungen, die seit den 1920er-Jahren von hier ausgingen und eine Magnitude von 8 oder höher erreichten.  

Die geologische Aktivität der Region lässt sich noch an einem zweiten Merkmal erkennen: Die 1.200 Kilometer lange Halbinsel Kamtschatka ist Teil des sogenannten Pazifischen Feuerrings. Der zieht sich die Westküsten Süd- und Nordamerikas entlang über die Beringstraße und Kamtschatka hinunter bis Indonesien und Richtung Südpazifik. Kein Teil dieses Rings ist dabei geologisch so unruhig wie die russische Halbinsel. Mit 160 Vulkanen, davon knapp 30 aktiven, hat sie die größte Dichte vulkanischer Aktivität weltweit. Hier steht auch der höchste aktive Vulkan Eurasiens, der Kljutschewskaja Sopka, der mit seinen 4.750 Metern fast so hoch ist wie der Mont Blanc. 

Nach der Tsunamiwarnung für Japan wurden küstennahe Städte teilweise evakuiert. In Ishinomaki etwa, einer Stadt auf der japanischen Hauptinsel Honshū, werden Menschen in einer Turnhalle mit Ventilatoren gegen die Hitze versorgt. © Yomiuri Shimbun/​AP/​dpa

Von Kamtschatka breitete sich die Tsunamiwelle über nahezu den gesamten Pazifik aus. Je weiter entfernt, desto niedriger wurde sie. Als die Wellen Hunderte Kilometer südlich des Epizentrums auf Sewero-Kurilsk auf den Kurileninseln trafen, sollen sie wohl noch eine Höhe von drei bis sechs Metern gehabt haben. Die Inselgruppe erstreckt sich zwischen Kamtschatka und Japans nördlichster Insel Hokkaido. Videos aus Sewero-Kurilsk zeigen Gebäude in Küstennähe, die vom Meer weggespült werden. Das Wasser drang nach Behördenangaben bis zu 200 Meter ins Landesinnere ein. Größere Schäden meldeten die Behörden in den äußerst dünn besiedelten Gegenden nicht.

Ein verlassener Badestrand in Shirahama, einer Küstenstadt südlich von Osaka, nach der Tsunamiwarnung. © Kyodo News/​imago images

An einem Hafen in Japans nördlicher Präfektur Miyagi erreichte der Tsunami noch eine Höhe von 1,3 Metern um 13.52 Uhr Ortszeit, wie die japanische Wetterbehörde mitteilte. Die zuvor ausgegebene Tsunamiwarnung, wonach Wellen von bis zu drei Metern entlang der japanischen Pazifikküste erwartet wurden, wurde mittlerweile aufgehoben. 

Eine verlassene Strandbar in Fujisawa, südlich von Tokio © Yuichi Yamazaki/​AFP/​Getty Images

Für Hawaii verlief der Tsunami offenbar ohne größere Schäden, der Evakuierungsbefehl für die hawaiianische Hauptinsel O'ahu wurde wieder aufgehoben. Auch auf den Philippinen wurde die Tsunamiwarnung wieder aufgehoben.