"Ich kehre zurück in eine Mondlandschaft"
Jetzt ist es die Glut, die der französischen Feuerwehr Sorgen bereitet: Obwohl sich das Feuer in Südfrankreich am Freitagmorgen nicht weiter ausbreitete, rechnet die Feuerwehr mit neuen Flammen und Brandherden. Denn es stehen extreme Hitzetage bevor: Der französische Wetterdienst prognostiziert in der Region Aude Temperaturen von bis zu 40 Grad, auch die Nächte bleiben warm. Die ohnehin ausgedörrte Vegetation trocknet weiter aus – ein Funke genügt, um neue Brände zu entfachen.
Waldbrände gehören in Südfrankreich seit Jahrzehnten zum Sommer. Immer wieder werden Wandergebiete präventiv gesperrt. Wachleute sind monatelang auf Bergspitzen stationiert, um frühzeitig Rauch zu entdecken. Doch das Feuer der vergangenen Tage zwischen Perpignan und Narbonne ist historisch: Pinienwälder, Felder und Gärten waren so trocken, dass die Flammen sich rasend schnell ausbreiteten. Fast 20.000 Hektar sind verkohlt, und damit eine der größten Flächen, die jemals in Frankreich verbrannt sind. Noch immer sind 2.000 Menschen evakuiert.
Jahrhundertfeuer mitten in der Urlaubssaison
Die Landschaft aus Weinbergen, Feldern und mit Pinien bewachsenen Hügeln wird in den nächsten Jahren ein trostloses Bild abgeben. Idyllische Dörfer, das Mittelmeer, die Pyrenäen, Feriensiedlungen und Campingplätze ziehen hier jedes Jahr Millionen Urlauber an. Zwar konnten die meisten Stadtzentren gerettet werden, doch viele Dörfer sind nun von verbrannten Feldern umgeben. "Mein Dorf ist zu einer Mondlandschaft verkommen", sagte etwa Jacques Piraud, Bürgermeister von Jonquières, einer besonders stark betroffenen Gemeinde.
Viele Bürgermeister kehrten wie er aus dem Urlaub zurück, um sicherzustellen, dass ihre bedrohten Städte geschützt werden. Boden und Pflanzen seien so trocken gewesen, sagt Piraud, dass Nadelbäume wie Fackeln gebrannt haben. Anfangs hielt er die Flammen für weit genug entfernt, doch der Wind und die Trockenheit hätten sie in wahnsinnig hoher Geschwindigkeit an Jonquières herangetragen. Einige Häuser seien verloren.
Auch Camper mussten ihre Zelte und Wohnwagen zurücklassen und in Sporthallen oder Rathäusern Zuflucht suchen. Viele Straßenzüge wurden geräumt. Insgesamt waren mehr als 16 Kommunen betroffen. Eine Frau verbrannte in ihrem Haus, viele weitere wurden verletzt oder erlitten Rauchvergiftungen. Die Feuerfront war stellenweise 50 Kilometer lang. Und selbst wer in den vergangenen Tagen nicht vor den Flammen fliehen musste, sah Rauchschwaden, die sich über 170 Kilometer ausbreiteten. Brandexperten und Politiker sprachen von einer "außergewöhnlichen Katastrophe", einem "Jahrhundertfeuer", einem "Dramabrand".
"Es ist wohl eines der schlimmsten Feuer in der Geschichte Frankreichs", sagte Christophe Chantepy, Feuerexperte bei der französischen Nationalen Waldbehörde (ONF). An vielen Stellen konnte die Feuerwehr nicht eingreifen, zahlreiche Häuser brannten nieder. Die Autobahn 9, die Frankreich mit Spanien verbindet, war zeitweise gesperrt. Inzwischen ist sie wieder befahrbar, allerdings mit reduzierter Geschwindigkeit. Grundsätzlich gilt: Wenn die Flammen auf Siedlungen zusteuern, werden Bewohner evakuiert. Bleibt das Feuer in der Nähe, aber ohne Gefahr für die Ortschaft, sollen die Menschen in ihren Häusern bleiben.
Anhaltende Trockenheit hat die Ausbreitung begünstigt
"Außergewöhnlich war auch die Geschwindigkeit der Flammen", erklärte Chantepy. Ein übliches Feuer bewege sich ein oder zwei Kilometer pro Stunde fort, dieses hier habe eine Geschwindigkeit von fünf Kilometern pro Stunde erreicht – so schnell wie ein Mensch geht, wenn er sich beeilt. Solche Brände, so der Experte, können durch die extreme Hitze und die veränderte Vegetation eigene Wetterphänomene wie Wind erzeugen.
Nun suchen die Bürgermeister und andere Verantwortliche nach den Brandursachen. Bislang aber tappt die Staatsanwaltschaft von Carcassonne im Dunkeln. Sicher ist nur, dass das Feuer neben einer Schnellstraße bei Ribaute ausbrach. Begünstigt haben könnte den Brand, dass rund um Narbonne zuletzt tausende Hektar Weinberge verschwanden. Eigentlich lebt die Region zwar vom Weinbau. Doch weil die Franzosen in den letzten Jahren deutlich weniger Wein trinken, zahlte die EU Prämien, um Weinstöcke zu roden. Das sollte das Angebot verringern und die Preise bei sinkender Nachfrage stabilisieren. Über diese radikale Maßnahme wurde kaum berichtet – wohl aus Sorge der Winzer, ihr Produkt könnte als minderwertig gelten. Nun aber beschweren sich die Bürgermeister: Die Weinberge hätten früher Feuer gestoppt. Weil in ihnen kein morsches Unterholz zündeln kann, die Pflanzen stark zurückgeschnitten werden und manche Weinberge inzwischen sogar gewässert werden, bildeten sie eine natürliche Barriere gegen die Flammen.
Chantepy ist sich aber mit vielen anderen Fachleuten einig: Die entscheidende Ursache für das Ausmaß dieses Feuers ist die extreme Trockenheit in der Region, verstärkt durch den Klimawandel. Seit Monaten hatte es in der Brandregion kaum geregnet. Und noch immer wirkt die Jahrhundertdürre vor drei Jahren nach: Damals hatten viele Orte kein Trinkwasser mehr und mussten mit abgezählten Plastikflaschen beliefert werden, einige Bürgermeister stoppten gar Baugenehmigungen. Die Begründung: Ihre Kommune habe nicht genug Wasser für weitere Menschen. Viele Bäume und Sträucher überlebten die Dürre nicht – noch immer gibt es massenhafte Totholz, das sich nun in Sekunden entzündete. "Nichts brennt so gut wie abgestorbene Äste und ausgetrocknete Büsche, die dann dicke tote Bäume in Brand setzen", sagte der Feuerexperte Chantepy.
In den kommenden Jahren werden noch größere Brände erwartet
Auch der französische Premierminister François Bayrou nannte den Klimawandel eine wesentliche Ursache für die Katastrophe. Frankreich ist laut Fachleuten eins der Länder, die am stärksten unter der Klimakrise leiden: Dürren im Süden, steigende Meeresspiegel am Mittelmeer und Atlantik, Gletscherschmelze in den Alpen. Der Zusammenhang zwischen dem menschengemachten Klimawandel und Flächenbränden ist inzwischen nachgewiesen. Verschiedene Szenarien für Frankreich prognostizieren, dass große Brände in den kommenden Jahrzehnten noch häufiger werden: Das französische Institut für Agrar- und Umweltforschung INRAE erwartet, dass im Südosten Frankreichs dreimal so große Flächen brennen könnten wie bislang.
"Frankreich und die betroffene Region müssen sich nun ernsthafte Gedanken über die Zukunft machen", sagte Premierminister Bayrou. Aber auch an den wenigen Mitteln der französischen Feuerwehr gibt es Kritik aus der Opposition und von Feuerwehrverbänden. Zwar waren in der Aude Hunderte Löschfahrzeuge und alle 14 Löschflugzeuge im Einsatz – aber eigentlich hatte Präsident Emmanuel Macron nach vielen verheerenden Bränden im Jahr 2021 versprochen, mehr dieser Flugzeuge zu beschaffen. Bis heute fehlen sie.
Dabei drohen in den kommenden Wochen viele weitere Brände auszubrechen. Die Zeit, in der Großfeuer wüten können, wird mit der Klimakrise immer länger: War die französische Feuerwehr früher vor allem zwischen Mitte Juli und Mitte September im Einsatz, beginnt die Waldbrandsaison nun schon viele Wochen früher und endet später. Dieses Jahr erlebte Frankreich seine erste Hitzewelle bereits Ende Juni. Und sogar im Januar gab es Brände mit einigen Tausend verbrannten Hektar Land. Feuerexperte Chantepy sagt: "Das Außergewöhnliche wird zur Norm."