Wie die fossile Lobby ein globales Plastikabkommen verhinderte

Die Welt hätte gute Nachrichten gebrauchen können, aber aus Genf kam am Freitagmorgen das Gegenteil: Ein globales Abkommen, um Plastikmüll zu reduzieren, ist gescheitert. Die Delegierten von 185 Ländern konnten sich nicht auf einen Vertragstext einigen, sie fliegen ohne Ergebnis wieder nach Hause. Ob es noch einmal einen neuen Anlauf gibt und wie dieser aussehen könnte, ist unklar: Das Treffen in Genf war schon die Verlängerung der auf fünf Runden angesetzten Verhandlungen. 

Ein Scheitern stand zwar von Anfang an als Möglichkeit im Raum – dass die schlechteste aller Möglichkeiten nun tatsächlich eintrat, ist für viele dennoch überraschend. 

Denn die Welt braucht dringend eine Lösung für das Kunststoffproblem. Plastik stellt nicht nur eine massive Umweltbelastung dar, sondern auch eine Gefahr für die menschliche Gesundheit.

Jedes Jahr werden mehr als 400 Millionen Tonnen neues Plastik produziert – ein Wert, der seit Jahrzehnten ununterbrochen steigt. Zum Vergleich: 1950 waren es nur zwei Millionen Tonnen. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Eine Studie der OECD schätzt, dass ohne globale Versuche, Kunststoffabfälle zu vermeiden, die jährliche Produktion auf mehr als 730 Millionen Tonnen ansteigen könnte. Nur neun Prozent davon werden überhaupt recycelt, weitere zwölf Prozent verbrannt. Der große Rest landet – im besten Fall – in Deponien, im schlechtesten Fall in Flüssen, den Meeren. Oder in unserem Körper. 

Wie schädlich Plastik sein kann, zeigte Anfang August eine Studie im Fachmagazin The Lancet. Kunststoffe stören demnach etwa die Fruchtbarkeit, können Krebs begünstigen und Leberschäden verursachen – besonders bei jenen Menschen, die Kunststoffe produzieren. Der Hauptautor und Kinderarzt Philip Landrigan vom Schiller Institute for Integrated Science and Society in Boston sagt: "Niemand kann genau sagen, wie gefährlich Plastik ist. Aber es ist sehr viel gefährlicher, als die meisten denken." Weitestgehend unverstanden sei außerdem die Rolle von Mikroplastik: kleinsten Kunststoffpartikeln, die sogar die Blut-Hirn-Schranke passieren und im Gehirn landen, und die von der Tiefsee bis zum antarktischen Eis nachgewiesen worden sind. 

 "Die Welt braucht nicht mehr Plastik. Die Menschen wissen es, die Ärzte wissen es, die Wissenschaft weiß es, und die Märkte wissen es", sagt David Azoulay, der geschäftsführende Anwalt des Zentrums für Internationales Umweltrecht in Genf. Er hat die gesamten Verhandlungen begleitet und nennt ihr Ende nun einen "totalen Fehlschlag".

Zwei Fronten bei den Verhandlungen

Bei den Verhandlungen standen sich zwei Fronten gegenüber: Auf der einen Seite der bei weitem größte Block von Ländern, die sich als "ambitionierte Koalition" zusammengeschlossen hatten. Dazu gehörten 70 Länder, unter anderem die EU, Panama, Kenia und eine Reihe von pazifischen Inselstaaten. Sie wollten, dass ein zukünftiges Abkommen den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen adressiert. Einer der größten Streitpunkte waren verbindliche Obergrenzen für die Herstellung von neuem Plastik, ein Verbot besonders giftiger Zusätze sowie Maßnahmen, mit denen sich Fortschritte überprüfen und durchsetzen lassen. 

Dem gegenüber stand die Gruppe der selbst ernannten "gleichgesinnten Staaten": Erdöl- und -gasproduzenten, angeführt von Saudi-Arabien, Russland, Iran und Kuwait. Ihre Argumentation: Nicht der Kunststoff an sich sei das Problem, sondern, wie mit dem Abfall umgegangen wird. Sie bestanden darauf, dass sich der Vertrag ausschließlich auf die Abfallbewirtschaftung und das Recycling konzentrieren sollte. Jegliche Beschränkung der Kunststoffproduktion lehnten sie ab. Auch die USA als größter Produzent fossiler Energie vertraten diese Position und stellten sich gegen eine Einigung. 

Bereits in den früheren Verhandlungsrunden waren die beiden Seiten unversöhnlich – nun konnten sie sich auch in Genf nicht weit genug annähern, um auch nur in die Nähe eines Abkommens zu gelangen.