Mercedes droht als einziger EU-Autobauer Emissionsziele zu verfehlen
Mercedes-Benz droht laut einer Analyse aktuell als einziger europäischer Autobauer die EU-Emissionsziele zu verfehlen. Zu dem Schluss kommt die Organisation Transport and Environment (T&E). Mercedes-Benz dürfte demnach die nach EU-Recht zwischen 2025 und 2027 zulässigen durchschnittlichen Emissionsgrenzwerte um zehn Gramm pro Kilometer überschreiten.
Dagegen würden Volkswagen (VW), BMW, die Opel-Mutter Stellantis und Renault ihre Emissionsziele erreichen, teilte T&E mit. Der Grund sei, dass sie in den ersten sieben Monaten dieses Jahres teils deutlich mehr E-Autos verkauft hätten als im Vorjahreszeitraum. VW werde die Emissionsziele allerdings nur knapp einhalten, Renault mit zwei Gramm CO₂ pro Kilometer weniger als nötig, Stellantis mit neun Gramm unter der Grenze und BMW mit 13 Gramm unter dem Zielwert.
Die Emissionsziele oder Flottengrenzwerte sind Vorgaben der EU, wie viel Kohlendioxid die von einem Hersteller abgesetzten Neuwagen im Schnitt höchstens ausstoßen dürfen. Für jeden Autobauer gilt ein individueller Wert.
Um drohende Bußgelder bei Nichterfüllung der Emissionsziele zu vermeiden, können Hersteller in der EU den Kohlendioxidausstoß ihrer Neuwagen des laufenden Jahres mit den Werten von 2026 und 2027 verrechnen. Wer die Grenzwerte auch am Ende der dreijährigen Übergangszeit noch verfehlt, kann sogenannte Pools mit besser abschneidenden Konkurrenten bilden. Für die Gruppe gilt dann ein gemeinsamer Grenzwert, den es einzuhalten gilt.
T&E rechnet damit, dass Mercedes-Benz auf die letzte Option zurückgreifen müssen wird. Das Unternehmen müsste seine aktuellen Pool-Partner Volvo Cars und Polestar für Emissionszertifikate "im Rahmen eines sogenannten Pooling-Zusammenschlusses bezahlen", wie die Organisation mitteilt.
T&E warnt davor, Vorgaben zu lockern
Am 12. September wollen sich Branchenvertreter mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treffen, um über die Zukunft der Branche zu beraten. Die EU-Kommission hat im März dem Druck der europäischen Autobauer nachgegeben und ihnen drei Jahre statt einem Jahr Zeit gegeben, die CO₂-Emissionsziele für Neuwagen und Transporter zu erreichen. Daher erwartet T&E, dass zwischen 2025 und 2027 zwei Millionen E-Autos weniger verkauft werden als bei der ursprünglichen Frist.
T&E warnte davor, die EU-Vorgaben unter dem Druck der Autohersteller weiter zu lockern. "Einige Hersteller reden die Erfolge der letzten Jahre mit Absicht schlecht, weil sie die Flottengrenzwerte schwächen wollen", sagte Deutschland-Geschäftsführer Sebastian Bock. "In der Realität sehen wir aber einen schnellen Anstieg der E-Auto-Verkäufe und Ladepunkte in ganz Europa. Die Emissionsrichtlinien spielen dabei die entscheidende Rolle." Nur wenn die EU jetzt Kurs halte, habe die europäische Automobilindustrie eine Chance im globalen E-Auto-Wettbewerb.
Mercedes-Chef Ola Källenius hat kürzlich in einem Interview mit der Welt am Sonntag und Business Insider eine Abkehr vom EU-Verbrennerverbot gefordert. "Wir brauchen mehr Flexibilität. Hybride und effiziente Hightech-Verbrenner sollten Teil des Wegs bleiben, sonst riskieren wir Akzeptanz und Arbeitsplätze", sagte er.
Der Anteil von E-Autos an den Neuzulassungen in der EU wird laut der T&E-Prognose in diesem Jahr 18 Prozent erreichen. Bis 2027 wird dieser Anteil demnach auf 25 Prozent steigen und bis 2030 bei über 55 Prozent liegen. Aufgrund niedrigerer Preise für Batterien gebe es neue, günstigere E-Auto-Modelle, hieß es von der Organisation. Im Jahr 2027 rechnet T&E mit mindestens 19 Modellen in Europa, die weniger als 25.000 Euro kosten.